Essen. Die EU-Kommission hat die Milliardenrabatte bei der Energiewende auf den Prüfstand gestellt. Die Industrie warnt vor Jobverlusten. Berlin will nun mit der EU-Kommission einen Kompromiss aushandeln. Er könnte darin bestehen, dass Unternehmen die Rabatte nur bis 2012 zurückzahlen müssen.
Im Konflikt um die Ökostrom-Rabatte für deutsche Unternehmen beginnt eine entscheidende Woche: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verhandelt heute mit EU-Kommissar Joaquín Almunia und am Donnerstag mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Einem Bericht zufolge will Brüssel den Streit mit Deutschland rasch beilegen.
Die EU-Kommission hat ein Beihilfeverfahren eingeleitet. Sie hegt den Verdacht, dass die Befreiung mancher deutscher Unternehmen von der EEG-Umlage, die den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben soll, den Wettbewerb in Europa verzerre. Kommt die EU-Kommission zu dem Schluss, es handle sich um illegale Subventionen, müssten deutsche Unternehmen Milliarden zurückzahlen.
Rückzahlung nur bis 2012 denkbar
Wettbewerbskommissar Almunia hat nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ einen Kompromiss im Gepäck, wenn er heute nach Berlin kommt. Danach würden Rückforderungen an die Unternehmen nur bis 2012 gelten. In diesem Jahr sind 2098 Firmen von der EEG-Umlage befreit und werden dadurch um 5,1 Milliarden Euro entlastet. Almunia will in diesem Frühjahr Leitlinien vorlegen, wie erneuerbare Energien in Europa gefördert werden sollen.
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Kurz vor den Gesprächen mit der EU-Kommission werden die Mahnungen immer lauter. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verteidigte die Ökostrom-Rabatte: „Es liegt auf der Hand, dass die energieintensiven Unternehmen Ausnahmen brauchen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Sollte die EU die Entlastung der Industrie unterbinden, würde die Produktion von Stahl, Aluminium oder Chemie ins Ausland verlagert. „Dann stehen Hunderttausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel. Das werden wir verhindern“, erklärte Kraft.
Windenergie ausgebremst
Der Stahlproduzent Salzgitter, der unter anderem in Mülheim Röhren produziert, rechnet durch den geplanten Wegfall der Eigenstrom-Rabatte für die Industrie mit Zusatzbelastungen von 75 Millionen Euro. Diese könne der Konzern nicht durch Stellenabbau kompensieren, sagte ein Salzgitter-Sprecher. „Sie sind eine Existenzbedrohung.“ Verlagerungen ins Ausland seien bei der Komplexität der Anlagen nicht machbar.
Die Reform des Erneuerbare-Energie-Gesetzes, die der Bund plant, gefährdet nach Einschätzung von Experten auch den Ausbau der Windparks. Wirtschaftsminister Gabriel will die Vergütung für die Betreiber ab 2018 um einen Cent pro Kilowattstunde Windstrom auf 18 Cent absenken.
„Unter den gegebenen Kostenstrukturen führen die geplanten Kürzungen zu einem negativen Kapitalwert der Investitionen“, sagte Marita Balks von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Die Rendite sei dann so gering, dass die Investition unattraktiv wäre und unterbliebe, so die Professorin. Damit würde der Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland ausgebremst.