Brüssel. Im Streit um das Erneuerbare Energiene Gesetz (EEG) macht die neue Bundesregierung Front gegen die EU-Kommission. Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel wollen Brüssel unter Druck setzen und erhalten dabei Unterstützung aus der deutschen Industrie.
Die EU-Kommission in Brüssel sieht sich nach der Einleitung eines Beihilfeverfahrens gegen die Rabatte bei der Öko-Strom-Umlage einer wahrhaft großen Koalition gegenüber: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machen zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie den großen Industriegewerkschaften IG Metall und IG BCE Front gegen Brüssel.
„Wir werden der Kommission sehr deutlich machen: Deutschland möchte ein starker Industriestandort bleiben“, sagte die CDU-Chefin. Das Land brauche wettbewerbsfähige Unternehmen. Zwei Punkte im System der Ökostrom-Subventionen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stellen aus Sicht des Brüsseler Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia einen Verstoß gegen die europäischen Beihilfevorschriften dar: die Rabatte zugunsten energieintensiver Unternehmen und die Bevorzugung deutscher Energie-Lieferanten von „Grünstrom“.
Die Rabatte summieren sich 2013 auf vier Milliarden Euro
Von einem unmittelbaren Stopp der Förderung oder möglichen Rückzahlungen durch die betroffenen Firmen ist im Bescheid nicht die Rede.
Die Rabatte summierten sich in diesem Jahr auf vier Milliarden Euro. Auch der neue Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel äußerte sich zuversichtlich, dass es keine Nachzahlungen geben werde.
Anders als von der Regierung und Teilen der Wirtschaft befürchtet, leitete die EU-Kommission kein Verfahren gegen das gesamte EEG ein, das den zentralen Pfeiler der Energiewende darstellt. Ökostromverbände begrüßten das. Die Behörde konzentriert sich auf die Industrie-Rabatte.
Almunia sagte, er habe ernste Zweifel, ob die Entlastungen für deutsche Firmen gerechtfertigt seien. „Die anderen Verbraucher müssen diese Ausnahmen kompensieren. Unserer Analyse zufolge ist das ein selektives Vorgehen, das einer Diskriminierung Vorschub leistet.“ Die Untersuchungen bezögen sich auf die Vergangenheit. Er werde aber prüfen, wie die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag umgesetzt würden.
Dem Spanier ist vor allem die jüngste Ausweitung des Kreises der energieintensiven Unternehmen ein Dorn im Auge, die von den Rabatten bei der Umlage zur Förderung der Ökostrom-Produktion profitieren. Auch Kritiker in Deutschland monieren, dass Unternehmen Entlastungen bekommen, obwohl sie kaum im internationalen Wettbewerb stehen – etwa Straßenbahnbetriebe.
Andere Branchen wie die Stahlindustrie mit Konzernen wie Thyssen-Krupp und Salzgitter erklären, die Nachlässe seien notwendig, da die Konkurrenz im Ausland auch nicht von der EEG-Umlage belastet werde. Kamen 2013 rund 1700 Unternehmen in Deutschland in den Genuss von Rabatten, könnten es 2014 sogar 2800 sein.
Verfahren kann ein Jahr dauern
Ein Beihilfeverfahren kann mehr als ein Jahr dauern. Die Bundesregierung muss nun zu einzelnen Kritikpunkten Stellung beziehen. Am Ende entscheiden die Wettbewerbshüter, ob die Ausnahmen bestehen bleiben dürfen oder nicht oder ob es Auflagen gibt. Nach Darstellung des für Energie zuständigen deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger verlangt die EU-Zentrale lediglich Korrekturen: „Es wird nicht dazu kommen, dass alle Ausnahmen komplett gestrichen werden. Wir müssen nur weg vom Gießkannenprinzip. Die energieintensiven Unternehmen, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen, werden weiterhin Ausnahmen bekommen.“
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, warnt indes: „Der Ausgang des Prüfverfahrens hat erheblichen Einfluss auf die Zukunft des Industriestandorts Deutschland.“ Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Betriebe wäre für viele Unternehmen und Tausende Arbeitsplätze das sofortige Aus.