Essen. Experten diskutieren am Dienstag auf Zeche Zollverein über Pumpspeicherkraftwerke. Mit der grünen Energie sind große Hoffnungen verbunden: Solche Anlagen könnten dem Ruhrgebiet die Technologieführerschaft bringen. Doch ob aus Zechen wirklich Kraftwerke werden, ist ungewiss.

Der Steinkohleförderer RAG aus Herne entwickelt sich mehr und mehr zum Lieferanten von grüner Energie – und womöglich auch zum Technologieführer bei einem der spektakulärsten Projekte der Energiewende: den Pumpspeicherkraftwerken in Bergwerken.

Seit gut einem Jahr erforschen fachübergreifend die Universität Duisburg-Essen, die Ruhr-Universität Bochum, das Rhein-Ruhr-Institut Sozialforschung und Politikberatung sowie die RAG die Machbarkeit derartiger wetterunabhängiger Energiespeicher in Bergwerken. Die RAG sieht die „technische Machbarkeit“ gegeben: „Wir sind auf einem guten Weg“, so ein Sprecher auf Anfrage.

Dienstag diskutieren auf der Zeche Zollverein die verschiedenen Experten „Sachstand und Perspektiven“ von Pumpspeicherkraftwerken in NRW. Das Zwischenergebnis für die Untertage-Kraftwerke ist eine gute Nachricht für die Energiewende, aber auch für das Ruhrgebiet. Würde es gelingen, die erneuerbaren Energien zu speichern und für die Zeiten des Spitzenbedarfs nutzbar zu machen, wäre man ein gutes Stück weiter in der Energiewende.

Zwei Revier-Zechen kommen in Frage

Während herkömmliche Pumpspeicherkraftwerke auf ein natürliches Gefälle angewiesen sind und sich deshalb zumeist in Norwegen mit hochgelegenen Pumpspeicherseen oder in den Alpenländern befinden, würden sich die Zechen-Kraftwerke die enorme Tiefe der Schächte zunutze machen. Was den Steinkohlebergbau hierzulande ökonomisch unrentabel macht, nämlich die Teufe von bis zu 1200 Metern, macht die Untertage-Kraftwerke erst interessant.

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Denn das Wasser kann von einem Becken an der Erdoberfläche 1000 Meter und mehr in die Tiefe fallen und Turbinen antreiben. Windanlagen sollen die Pumpen antreiben, um das Wasser wieder in die Höhe zu befördern. Mögliche Zechen-Kraftwerke könnten in den noch aktiven Bergwerken Prosper Haniel in Bottrop, Auguste Victoria in Marl oder Ibbenbüren entstehen.

Die Forscher haben in ihren Untersuchungen wohl auch eine große Akzeptanz in der Bevölkerung für die Zechen-Kraftwerke erkannt. Was bei herkömmlichen Pumpspeicherkraftwerken beileibe nicht der Fall ist. So hat ein geplantes Pumpspeicherkraftwerk von Trianel am Rursee in der Eifel heftigen Widerstand der Anwohner ausgelöst.

Allerdings: In Zeiten der Energiewende sind ausgerechnet die ökologisch unabdingbaren Speicher ökonomisch unter Druck geraten. So haben RWE und EnBW ein 1,7 Milliarden Euro teures Pumpspeicherkraftwerk mit 1400 Megawatt Leistung am Schluchsee im Hochschwarzwald auf Eis gelegt. Hintergrund: Derzeit gibt es zu viele Erzeugungskapazitäten, der Strompreis an der Großhandelsbörse ist im Keller.

Geringer Wirkungsgrad

So ist denn auch die technische Machbarkeit der Untertage-Kraftwerke nur eine Seite der Medaille. Die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen die andere. Die RAG beziffert die Investitionskosten für Untertage-Anlagen je Kilowatt (kW) auf 1530 Euro, bei einem Wirkungsgrad von 70 Prozent. Das heißt, 70 Prozent der reingesteckten Energie kommt als Nutzenergie heraus. Ein Pumpspeicher mit Halde kommt auf einen Wirkungsgrad von gut 80 Prozent, kostet aber 2500 Euro je kW. Ein Steinkohleblock wird mit 1500 Euro je kW veranschlagt.

Die RAG sammelt zunehmend Erfahrung mit den Erneuerbaren: Der Konzern betreibt 40 Windanlagen mit 110 MW Leistung, nutzt das über 20 Grad warme Grubenwasser und arbeitet an Pumspeicherkraftwerken auf Halden.