Warnemünde/Essen. . Wenn Fischer ihre Netze auswerfen, landen daran auch Tausende kleine Fische und Meerestiere, die sie nicht verkaufen können. Der Beifang wurde bislang über Bord geworfen. Damit soll jetzt Schluss sein. Er soll zu Fischfutter verarbeitet werden, Greenpeace reicht das nicht und verlangt bessere Fangmethoden.

Belustigt hält Verbraucherministerin Ilse Aigner einen erwachsenen Dorsch hoch. Den Meeresräuber hat sie per Netz aus der Ostsee ziehen lassen, zusammen mit Schollen, Flundern, Quallen und einem Seestern, den Aigner ziemlich süß findet. In den Bottichen neben ihr verenden derweil die weniger attraktiven Meerestiere, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Ein paar Meter weiter hinten auf dem Forschungskutter Clupea, auf deutsch Hering, steht der Meeresbiologe Daniel Stepputtis und misst jeden Fisch. So bekommen die Forscher ein Bild des Fischbestands im Binnenmeer vor Warnemünde. Mit den dort und an vielen anderen Stellen erhobenen Daten können die Forscher Prognosen für die künftigen Fischereierträge erstellen. Daraus entstehen am Ende jene Fangquoten, an die sich alle Länder halten müssen, damit der Fisch auch dauerhaft auf der Speisekarte stehen kann.

90 Prozent des Beifangs stirbt beim Rückwurf

Doch dass der Beifang sinnvoll, hier wissenschaftlich, genutzt wird, ist die große Ausnahme. Bisher wird er einfach ins Meer zurückgeworfen, was kaum ein Fisch überlebt. „90 Prozent des Beifangs stirbt bei einem Rückwurf“, weiß TV-Koch Tim Mälzer, der die Kampagne Fish Fight ins Leben gerufen hat. Eine Million Tonnen Fisch werde derzeit sinnlos geopfert.

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Das soll sich bald ändern, weil die EU die Fischer dazu zwingen will, ihren ganzen Fang im Hafen abzuliefern. Dann soll auch der Beifang genutzt werden, etwa als Futterbeigabe. Die Reform begrüßt auch die Umweltschutz-Organisation Greenpeace. Sie geht ihr aber nicht weit genug. „Es wurde ja keine komplette Anlandung des Beifangs beschlossen“, sagt Meeresexpertin Iris Menn. „Bis fünf Prozent des Beifangs dürfen Fischer auch künftig über Bord werfen.“ Sie ist für die norwegische Lösung, wo Rückwürfe generell verboten sind. Bei Greenpeace stellt man sich zudem die Frage, wer das kontrolliert.

Netze, aus denen kleine Fische fliehen können

Ohnehin plädiert die Organisation dafür, dass etwa Baby-Fische gar nicht erst im Netz landen. Dafür entwickeln die Wissenschaftler des bundeseigenen Thünen-Instituts für Ostseefischerei Netze, aus denen kleine Fische fliehen können. Mehr denn je dürften die Berufsfischer nun ein Interesse an solchen schonenden Netzen haben. Denn für sie droht ein zu hoher Beifang, den sie billig verkaufen müssten, zum Verlustgeschäft zu werden. Er würde ihnen den Kutter, aber nicht die Kasse füllen.

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Europa will mit seinen neuen Regeln ein Beispiel geben. Denn in den übrigen Weltmeeren wird weiter ohne Rücksicht auf Bestände gefischt. Der vom Aussterben bedrohte rote Thunfisch ist so selten geworden, dass er pro Stück auf dem japanischen Markt umgerechnet satte 75.000 Euro kostet.

Ostsee ist Vorreiter für die Weltmeere

Dagegen bringt Aigners Ostseedorsch nur noch 1,70 Euro je Kilogramm. Ein gutes Zeichen, denn auch dieser heimische Fisch wurde lange Zeit übermäßig gefangen. Polnische Fischer haben ihm derart nachgestellt, dass am Ende der Bestand gefährdet war. Mittlerweile halte sich das Nachbarland an die Fangquoten, heißt es.

Was ist nun mit den Warnungen der Umweltverbände, die Meere seien bald leergefischt? Der Chef des Thünen-Instituts, Christopher Zimmermann, beschwichtigt: „Die 14 kommerziell genutzten Fischbestände werden ab 2015 nachhaltig gemanagt.“ Damit sei die Ostsee Vorreiter für die Weltmeere. Die Dorschbestände hätten sich vollständig erholt, es gebe auch wieder mehr Kabeljau in der Nordsee und der Bestand an Schollen sei auf Rekordniveau. Bei Seelachs und Hering beobachten die Forscher allerdings Nachwuchsprobleme.

Die bisherigen Reformen mit verstärkten Kontrollen und Strafen für die illegale Fischerei haben zumindest im Norden Deutschlands und Europas offenbar Wirkung gezeigt. Galten 2007 noch 94 Prozent der Arten im Nordatlantik als überfischt, sind es heute noch 39 Prozent. Die neuen Beifang-Regeln sollen auch diese Arten retten.

Was Verbraucher tun können

Verbraucher, die guten Gewissens Fisch kaufen möchten, haben eine Fülle von Informationsmöglichkeiten. Ein einheitliches Zertifikat gibt es allerdings nicht. Drei Gütesiegel haben sich international etabliert:

  • 1997 gründeten die Umweltorganisation WWF und der Lebensmittelkonzern Unilever das Marine Stewardship Council MSC, um einen Akzent gegen Überfischung zu setzen. Nach eigenen Angaben der Organisation wird das Siegel nur an Fischereibetriebe vergeben, die nachhaltig arbeiten. In 98 Ländern der Erde tragen inzwischen rund 13.000 Fischprodukte das MSC-Zeichen.
  • Friend of Sea ist eine Nichtregierungsorganisation, die der Delfinschützer Paolo Bray gegründet hat. Sie bezeichnet sich als das einzige internationale Zertifizierungsprogramm, das Produkte aus Wildfang und aus Aquakulturen auszeichnet. Das Siegel wird nach einer Fülle von Kriterien vergeben.
  • Öko-Aquakulturen haben sich zum Ziel gesetzt, umweltfreundliche und artgerechte Fischzucht zu betreiben. Das Siegel „Biofisch“ können Betriebe nutzen, die nach den Richtlinien von Bioverbänden wie Naturland arbeiten.