Brüssel. Europas Fischbestände stehen vielerorts vor dem Kollaps - auch wegen falscher Fischeripolitik der EU. Nun soll eine Reform soll dies ändern. EU-Staaten und Europaparlament haben sich auf neue Regeln geeinigt. Sie betreffen die Fangquoten, den Beifang und den Rückwurf.

Europa will die Überfischung seiner Gewässer beenden. Die Vertreter der 27 EU-Staaten, des Europaparlaments und der EU-Kommission haben sich am frühen Donnerstagmorgen auf eine Reform der gemeinsamen Fischereipolitik geeinigt. "Dies ist eine radikale Veränderung", versprach EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki. Aktuell gelten knapp 40 Prozent der Bestände im Nordostatlantik als überfischt. Im Mittelmeer und dem Schwarzen Meer gilt dies sogar für 88 Prozent der Bestände.

Bis zum Jahr 2020 sollen die Fischbestände ein Niveau erreichen, auf dem sie langfristig stabil sind, erklärte die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust. Sie betreute die Verhandlungen für das Europaparlament federführend. Umweltorganisationen kritisieren aber, für bereits überfischte Bestände sei dies zu wenig - denn sie könnten gar nicht erst auf ein gesundes Niveau anwachsen. "Das ist ein schönes und wichtiges politische Ziel. Dies führt nicht dazu, dass die Quoten genügend abgesenkt werden, damit überfischte Bestände sich erholen", erläuterte Anna Holl, Fischexpertin beim WWF.

Die neuen Regeln im Überblick:

Quoten: Um die bedrohten Fischbestände zu schonen, sollen Fischer nur so viel Fische fangen, wie nachwachsen. So könnte die Zahl der Fische langfristig stabil bleiben. Für die Fischer bedeutet dies, dass sie auf Dauer mit einem Fang in etwa gleicher Höhe rechnen können. Umweltorganisationen kritisieren, für überfischte Bestände reiche dies nicht: Sie müssten erst wachsen, um ein gesundes Niveau zu erreichen. Mit der Reform sollen sich die europäischen Fischfangquoten bis spätestens 2020 an diesem Prinzip orientieren. Parallel dazu will die EU die Stilllegung von Teilen der übergroßen Fischeriflotte finanziell unterstützen (nachdem Brüssel deren Aufbau in früheren Jahren massiv gefördert hatte)

Beifang: Wenn Fischer aufs Meer fahren, sind sie in der Regel auf bestimmte Fischarten aus. Allerdings gehen ihnen oft auch andere Fische oder Meerestiere ins Netz. Diese unbeabsichtigten Fänge werden als Beifang bezeichnet. Beifang kann durch zielgenauere Fangtechniken verringert werden. Dafür hat die EU-Kommission Geld angeboten.

Rückwurf: Unerwünschte Fänge werden oft zurück ins Meer geworfen. Der EU-Kommission zufolge betrifft dies fast ein Viertel des europäischen Fangs. Die Tiere landen dabei oft tot oder verletzt im Wasser. Sie werden bisher aber nicht auf die Quoten angerechnet. Dies macht es schwieriger, die Entwicklung von Fischbeständen zu steuern und Überfischung zu vermeiden. Künftig gilt ein generelles Rückwurfverbot - mit strengen Ausnahmeregeln, so dass im Durchschnitt noch jeder zwanzigste Fisch wieder über Bord geworfen werden dürfte.

Diese Regel soll für alle Schiffe unter europäischer Flagge gelten, auch wenn sie außerhalb europäischer Gewässer unterwegs sind. Die Umweltorganisation Greenpeace begrüßte zwar die Einigung, hielt sie aber nicht für ausreichend. "Angesichts der massiven Überfischung hätten wir uns strengere Fischereiregeln für Europa gewünscht", kommentierte Fischexperte Thilo Maack. "Jetzt kommt es darauf an, wie die EU-Mitgliedsländer die neuen Fischereiregeln umsetzen und Verstöße konsequent verfolgen."

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. "Mit der Einigung über die gemeinsame Europäische Fischereireform wird der ungebremsten Ausbeutung der Meere endlich Einhalt geboten", teilte sie mit.

Das Plenum des Europaparlaments muss dem Kompromiss noch zustimmen. Auch der Ausschuss der Botschafter der EU-Staaten muss grünes Licht geben. Der irische Minister Simon Coveney zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Einigung dort eine Mehrheit findet. Coveney leitete die Verhandlungen für die EU-Länder, weil sein Land derzeit den Vorsitz der Staaten hat. (dpa).