Essen. Die Kommunen fordern die Abschaffung des Grünen Punktes und wollen selbst den Müll aus der gelben Tonne verwerten. Mit den Gewinnen, die man aus der Verwertung erziele, könne man die Müllgebühren insgesamt senken. Das Kartellamt warnt vor einem neuen Monopol.

Dass sich dereinst die Wirtschaft mit den Städten um all den Verpackungsmüll schlagen würde, ahnte Klaus Töpfer nicht, als er 1991 den Grünen Punkt erfand. Bis dahin landete der Abfall unsortiert auf Müllhalden oder in Verbrennungsanlagen. Es galt durch die Wiederverwertung der Müllberge Herr zu werden. Heute gibt es zu wenig Müll für zu viele Müllverbrennungsanlagen sowie einen erbitterten Kampf um alles, was nicht im Hausmüll, sondern in der gelben Tonne landet. Der leere Joghurtbecher ist heute tatsächlich, als was Töpfer ihn damals erkannte – ein Rohstoff voller Wert.

Für den Grünen Punkt zahlen die Hersteller eine Abgabe an Verwertungsgesellschaften. Größte ist noch immer Ex-Monopolist Duales System Deutschland (DSD). Mit dem Geld werden Entsorgungsfirmen bezahlt, die den Müll sammeln, sortieren und weiterverkaufen. Ein einträgliches Geschäft, es bleiben ansehnliche Gewinne in knapp dreistelliger Millionenhöhe übrig. Geld, das auch für die Kommunen interessant zu sein scheint. Der Grüne Punkt gehöre abgeschafft, fordert der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). Die Kommunen könnten das selbst viel besser und billiger. Vor der Bundestagswahl trommeln die Städte auch bei den Parteien für ihren Wunsch.

Das Bundeskartellamt ist strikt gegen ein neues Monopol. Der noch junge Wettbewerb im Müllgeschäft sei gut für die Verbraucher und auch nicht schädlich für die Umwelt, ergab eine Sektoranalyse zum Dualen System. Die Kosten für die Entsorgung für Verpackungen mit dem Grünen Punkt hätten sich seit der Marktöffnung halbiert – von zwei Milliarden auf eine Milliarde Euro. Oder am Beispiel einer Milchtüte: Von vier Pfennig Ende der 90er-Jahre auf einen Euro-Cent. Eine vierköpfige Familie spare dadurch 50 Euro im Jahr. Gleichzeitig seien auch die Recyclingquoten gestiegen – von 64 auf 73 Prozent. Der Grund liegt für die Wettbewerbshüter eindeutig im Aufbruch des DSD-Monopols im Jahr 2004. Bis heute sind neun Mitbewerber hinzugekommen, die Entsorgungskosten sinken seitdem. Kartellamtspräsident Mundt warnt eindringlich vor einer „Rekommunalisierung“ der Abfallverwertung.

Beim Altpapier haben die Kommunen wieder das Sagen

Eine solche gab es auf dem umkämpften Markt für Altpapier. Die Frage, wem die weggeworfenen Zeitungen und Kartons gehören, entschied das Bundesverwaltungs­gericht zugunsten der Kommunen. Sie dürfen entscheiden, ob sie das Altpapier ihrer Bürger selbst abholen und weiterverkaufen oder ein Unternehmen damit beauftragen.

So hätten es die Städte und Gemeinden nun auch gern beim nicht minder lukrativen Plastikmüll. Der VKU setzte seine Attacke auf das Duale System unmittelbar, nachdem es eine Preiserhöhung für den Grünen Punkt um bis zu acht Prozent verkündete. Die Entsorgung sei viel zu teuer, meinte VKU-Geschäftsführer Hans-Joachim Reck.

Aber warum sind die Städte so heiß auf den Verpackungsmüll? Ein Hauptargument lautet, die Privaten seien nur auf Gewinne aus – zum Schaden der Bürger. Doch sind nicht diese Gewinne gerade der Grund, warum klamme Kommunen selbst die Plastik-Rosinen aus dem Müll picken wollen? Jein, lautet die Antwort. Man könne mit den Gewinnen die Gebühren für den Hausmüll senken. Sie würden dann an die Bürger weitergegeben, heißt es beim VKU.

Futter für die Verbrennungsanlagen?

Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) argwöhnt ein ganz anderes Motiv: Die Kommunen wollten den wertvollen Müll verfeuern, um ihre Verbrennungsanlagen besser auszulasten. VKU-Geschäftsführer Reck kontert: „Dann könnte man den jetzigen Status quo beibehalten.“ Denn schon jetzt lande ein großer Teil aus der gelben Tonne in der Verbrennungsanlage, die gestiegenen Recyclingquoten für den Inhalt der gelben Tonnen bezweifeln die Städte. Viele Entsorger würden sie aus gutem Grund gar nicht angeben. Tatsächlich liege die Recyclingquote nur bei rund 40 Prozent. Die Städte wollten sie deutlich erhöhen, versichert Reck.

Für die Bürger entscheidend ist, ob die Städte es wirklich billiger machen könnten. BDE-Präsident Peter Kurth sagt dazu, die Bürger sollten nur mal auf ihre Rechnungen der vergangenen Jahre für die Hausmüll-Entsorgung schauen. Auch das Kartellamt glaubt nicht daran, dass ein neues Monopol die Preise senken würde.