Bremerhaven. . Nordsee Ost heißt der Windpark von RWE Innogy, der ab kommendem Jahr Strom ins deutsche Netz einspeisen soll. Probleme beim Netzausbau und politisches Gerangel um die Einspeisevergütung haben den Start des Projekts zerzögert. Ein Besuch vor Ort.

Mit 200 Sachen fliegt die Maschine der Air Hamburg raus aufs Meer. Der Lärm der Motoren erstickt jede Unterhaltung im Keim. Hier draußen, etwa 30 Kilometer nördlich von Helgoland und etwa zwei Kilometer unter uns, soll Deutschlands Energiewende gelingen. Doch die ist ins Stocken geraten. Ein schleppender Ausbau des Stromnetzes und politisches Gerangel um die Einspeisevergütung haben auch den Bau des RWE-Projekts Nordsee Ost verzögert. Eigentlich sollten sich die 48 Windräder schon in diesem Jahr drehen und Strom liefern. Doch der Start musste auf 2014 verschoben werden. Dann will Netzbetreiber Tennet das Kabel zum Festland gelegt haben.

Victoria Mathias hat aufgebockt. Der königsblaue Rumpf des Spezialschiffs schwebt über dem Meeresspiegel, vier dicke Beine sorgen dafür, dass das 100 Millionen Euro teure Vehikel nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Heute Morgen setzt das RWE-Schiff sogenannte Jackets in den sandigen Meerboden. 16 dieser gelbbraunen Stahlkolosse stehen schon, Nummer 17 wird gerade montiert. Die tonnenschweren Nägel, die dem Stahlgerüst-Fundament Halt bieten sollen, werden tief in den Boden getrieben. Die Jackets sollen später die eigentlichen Windräder tragen. Zwei Gestelle in zehn Tagen, das ist das mittlere Arbeitstempo der Victoria Mathias. Das Flugzeug dreht ab, wir fliegen über das benachbarte Projekt Meerwind. Hier baut der US-Investor Blackstone, im Norden von Nordsee Ost realisiert Eon die Amrumbank West, einen Windpark mit 288 Megawatt Leistung. Auch hier gibt es Bauverzögerungen.

Projekt kostet rund eine Milliarde Euro

Rund eine Milliarde Euro lässt sich RWE-Tochter Innogy Nordsee Ost kosten. „Über die Hälfte des Geldes ist bereits investiert worden“, sagt Innogy-Chef Hans Bünting. 308 Megawatt liefern deutsche Offshore-Windanlagen, also die, die weit draußen im Meer stehen, zurzeit. Bis 2020, so hat es die Bundesregierung geplant, sollen es 10.000 Megawatt sein. „Sportlich“ nennt Bünting dieses Ziel. Er hält 6000 bis 7000 für realistisch. Zurzeit sind 2700 Megawatt im Bau oder kurz vor der Inbetriebnahme, Nordsee Ost soll knapp 300 Megawatt liefern. Weitere Anlagen mit einer Gesamtleistung von 6000 Megawatt sind zwar genehmigt, viele Betreiber haben ihre Pläne aber vorerst auf Eis gelegt.

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Ortswechsel, Bremerhaven, Werkshalle der Firma Repower Systems: Hier werden die Gondeln gebaut, jede so groß wie ein Einfamlienhaus. In ihnen wohnen Getriebe und Generator der Windräder. Jede Anlage bringt eine Leistung von mehr als sechs Megawatt. Draußen, unweit der Halle, lagert der Rest der 48 Windrad-Köpfe. Und das seit gut einem Jahr. Eine dicke Folie schützt sie vor Wind und Wetter. Alle drei Monate müssen die Gondeln gedreht werden. „Damit das Getriebe keinen Lagerschaden bekommt“, erklärt Norbert Giese, der Leiter der Offshore-Entwicklung von Repower Systems. Auch seine Firma leidet unter den Verzögerungen beim Offshore-Ausbau. Hunderte, meist Zeitarbeiter, mussten bereits gehen – auch in der größten Halle Norddeutschlands, einem 800 Meter langen Gebäude, in dem Repower die Flügel für die Windräder baut.

Ein „Raus aus deutschen Projekten“ kommt nicht in Frage

RWE Innogy baut nicht nur in Deutschland. Das Unternehmen will weitere Windparks im Ausland realisieren. Ein „Raus aus deutschen Offshore-Projekten“ kommt für das Unternehmen aber nicht in Frage. „Wir können als deutsches Unternehmen unsere energiepolitischen Ziele nicht allein vor der Küste Dänemarks oder Belgiens realisieren“, sagt Hans Bünting. Eine Neuauflage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes müsse deshalb ein klares Signal für Offshore setzen, fordert der Innogy-Chef. Das sogenannte Stauchungsmodell, das die Einspeisevergütung für den Offshore-Strom regelt und 2017 auslaufen soll, müsse verlängert werden, den Verzögerungen beim Bau der Anlagen Rechnung tragen. Ein Wunsch, den die Bundesregierung Bünting (bislang) nicht erfüllen will. Erst im Januar hatte sie auf Anfrage der Opposition erklärt, es gebe keine Verlängerung.

Im Containerterminal von Bremerhaven hat RWE Innogy 170.000 Quadratmeter angemietet, genug Platz, um alles, was auf See verbaut werden soll, zwischenzulagern. Die Jackets aus Skandinavien, die Nägel, die rund 70 Meter langen Masten, die hier in zwei Teilen lagern. Victoria Mathias lädt hier auf, schippert dann raus. Zwölf Stunden braucht das Schiff bis zur Baustelle. Die Crew, die Nordsee Ost einmal betreiben, die Windräder warten soll, sie wird auf Helgoland wohnen. Die Appartements sind bereits gebaut. Bis zum Einzug wird es aber noch eine Weile dauern. Denn Deutschlands Energiewende, die ist hier draußen ein wenig ins Stocken geraten.