Essen. . Noch-Konzernchef Jennings nennt als Grund für den Einbruch die “schlimmste Frühjahrssaison seit vielen Jahren“ - und dementiert, dass es aufgrund der andauernden Verluste einen Bargeld-Engpass gebe
Der eigene, bald scheidende Chef spricht von der „schlimmsten Frühjahrssaison seit vielen Jahren“, Medien spekulieren über Liquiditätsprobleme – und der stolze Eigentümer hat plötzlich ein Problem mit den Deutschen. Karstadt kommt einfach nicht zur Ruhe.
Der Essener Warenhauskonzern bemühte sich am Wochenende, Berichte über Umsatzeinbrüche und fehlendes Bargeld zu zerstreuen. Dabei bestätigte Karstadt-Chef Andrew Jennings jedoch zum Teil Zahlen, die aus vertraulichen Bilanzzahlen an die Öffentlichkeit gelangt waren. So zitierte die „Bild am Sonntag“ aus einer Vorlage zur Aufsichtsratssitzung vom vergangenen Donnerstag in Essen, die Barreserven von Karstadt seien binnen zwölf Monaten von 348 auf 208 Millionen Euro geschrumpft.
Auch interessant
Karstadt habe kein Liquiditätsproblem, entgegnet Jennings, „diese Spekulation ist unverantwortlich“. In einer Mitteilung betont er, Karstadt habe „in diesem Moment einen Bargeldbestand von mehr als 210 Millionen Euro“ – also fast exakt die aus der vertraulichen Bilanz zitierte Summe. Gesunken sei die Liquidität etwa durch Sanierungskosten wie den Stellenabbau, der 44 Millionen Euro gekostet habe.
Kein Kommentar
Die ebenfalls zitierten Verlustzahlen werden nicht kommentiert. Karstadt habe von Oktober bis April 51 Millionen Euro Verlust gemacht und erwarte für das gesamte Geschäftsjahr einen Verlust in „niedriger dreistelliger Millionhöhe“ nach 249,6 Millionen Miesen im Geschäftsjahr 2011/2012, dessen Bilanz Karstadt ebenfalls noch nicht veröffentlicht hat.
Auch interessant
Dafür geht Jennings auf Umsatzeinbrüche ein, über die andere Medien berichteten. Karstadt liege demnach aber nicht zehn Prozent unter Vorjahresniveau, sondern „nur 3,6 Prozent“. Und das nach „der schlimmsten Frühjahrssaison im Modebereich“ seit vielen Jahren. Seit April gehe es wieder bergauf. Die unterschiedlichen Zahlen erklärt der Konzernlenker mit der Aufgabe einzelner Warenhaus-Bereiche wie den Multimedia-Abteilungen und der Gastronomie.
Berggruen genervt
Eingestellte Geschäftsbereiche aus der Bilanz herauszurechnen, ist in der Tat üblich und korrekt, will man die Umsatzzahlen sauber vergleichen. Jennings Einlassung passt indirekt aber auch zu den nicht bestätigten Verlustzahlen. Denen zufolge dürften die Verluste in diesem Geschäftsjahr im Vergleich zu dem vorigen trotz der Umsatzeinbußen niedriger ausfallen. Das wäre die Konsequenz daraus, dass besonders unrentable Bereiche geschlossen und aus der Bilanz herausgerechnet werden.
Auch interessant
Bei der Außendarstellung läuft derzeit vieles nicht glatt beim Traditionskonzern. Auf die immer drängender werdenden Forderungen an Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen, Geld in sein Unternehmen zu investieren, reagiert der Milliardär zusehends gereizt. Der „Spiegel“ zitiert ihn am Rande einer Veranstaltung in Zürich mit den Worten: „In Deutschland gibt es nur Kritik, dort wird man bestraft, wenn man etwas versucht.“
Verdi weiter am Drücker
Berggruen fühlt sich unverstanden, auch bei dem Vorwurf, seine Holding kassiere für die Karstadt-Namensrechte jährlich Millionen und schaffe das Geld über Umwege zu einer gemeinnützigen Briefkasten-Firma im Steuerparadies Virgin Islands. Er profitiere davon nicht. In jedem anderen Land würde man das gut finden, nur die Deutschen verstünden dieses „Charity-Prinzip“ nicht.
Weder Jennings noch Berggruen sagen etwas zu den von der Arbeitnehmerseite und mittlerweile auch von Lieferanten geforderten Investitionen. Ohne die wird die Gewerkschaft Verdi keine Ruhe geben. Weil Karstadt seinen Mitarbeitern zudem eine zweijährige Tarifpause abverlangen will, dürften die Warenhäuser während der laufenden Tarifrunde im Handel noch häufiger Ziel von Streiks werden.