Berlin. . Überschreitet Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, seine Kompetenzen mit den umstrittenen Anleihekäufen seines Hauses? Darüber verhandelt das Bundesverfassungsgericht diese Woche
Gefährdet oder schützt die Europäische Zentralbank (EZB) den Euro? So lautet die große Frage, über die das Bundesverfassungsgericht an diesem Dienstag und am Mittwoch verhandelt. Es geht um zwei Sätze, die EZB-Präsident Mario Draghi im vergangenen Sommer sprach: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir: Es wird genug sein.“ Konkret kündigte Draghi an, Staatsanleihen von verschuldeten Ländern wie Spanien oder Italien zu kaufen, wenn die Krise noch bedrohlicher werde.
Unter anderem dieses Programm zum Erwerb von Staatsanleihen stört die Kläger, die sechs Verfassungsbeschwerden eingereicht haben. Darunter sind CSU-Politiker Peter Gauweiler und Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Sie meinen, die EZB überschreite ihre Kompetenzen. Draghi dagegen verweist auf seinen Erfolg. Schon die bloße Ankündigung habe gereicht, um die hohen Zinsen für südeuropäische Staatsanleihen sinken zu lassen und die Gefahr des Bankrotts von Spanien und Italien abzuwenden. Hier die wichtigsten Argumente für und gegen diese Strategie.
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Geld für Regierungen?
Die europäischen Verträge definieren die Wertstabilität des Euro als primäres Ziel, das die EZB verfolgen muss. Den Regierungen der Euro-Staaten Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, ist der EZB dagegen verboten. Die Begründung: Wenn die Regierungen sich bei der Zentralbank bedienen könnten, würden sie zu viel Geld ausgeben und die Inflation griffe um sich. Wie begründet EZB-Chef Draghi dann, dass er trotzdem spanische Schuldscheine kaufen will?
Argument der EZB: Draghi sagt, die Notenbank würde die Staatsanleihen nicht direkt der spanischen Regierung abkaufen, sondern privaten Händlern. Das Geld der EZB komme deshalb gar nicht beim Staat an. Solche Käufe auf dem so genannten Sekundärmarkt stellten keine verbotene Haushaltshilfe für Regierungen dar.
Gegenargument der Bundesbank: Bundesbankchef Jens Weidmann, der morgen vor dem Bundesverfassungsgericht spricht, erklärt: Wenn die EZB mittels Anleihekäufen deren Zinsen drückt, erleichtert das den Regierungen die Verschuldung. Damit helfe die EZB den Politikern doch, ihre maroden Haushalte zu finanzieren.
Droht eine Inflation?
Argument der EZB: Nein, eine höhere Inflation im Euroraum sei nicht abzusehen. Zum Beleg verweist die Notenbank auf die Inflationsraten, die im Umkreis von ungefährlichen zwei Prozent liegen.
Gegenargument der Bundesbank: Noch gebe es keine Tendenz zur Inflation. Wenn die Zentralbank ihre Ankündigungen des Anleihekaufes aber umsetze, nehme die Menge des umlaufenden Geldes möglicherweise stark zu und die Kaufkraft des
Euro sinke.
Ist die EZB handlungsfähig?
Argument der EZB: Unternehmen in Spanien oder Italien müssen viel höhere Kreditzinsen zahlen als Firmen in Deutschland. Obwohl die EZB versucht, diese Zinsen mittels ihres Leitzinses zu drücken, funktioniere das nicht. Die Geldpolitik sei also nicht mehr voll wirksam, wodurch die Notenbank ihr primäres Ziel der Geldwertstabilität nur eingeschränkt verfolgen könne.
Gegenargument der Bundesbank: Die hohen Zinsen für Firmen in südeuropäischen Staaten sind eine Folge der mangelnden Finanzdisziplin der Regierungen. Wären diese sparsamer, bekämen sie leichter Geld von Investoren. Das würde dann auch für die Banken gelten, und die Zinsen für Unternehmenskredite sänken. Fazit: Die Wirksamkeit der Geldpolitik der EZB steht gar nicht zur Debatte.