Düsseldorf. Die wirtschaftspolitische Bilanz der rot-grünen Landesregierung fällt aus Sicht der Unternehmen an Rhein und Ruhr bislang eher enttäuschend aus. Der gute Gesprächskontakt zu Kraft und Duin drücke sich in keiner wirtschaftspolitischen Handschrift aus, kritisieren Unternehmerverbände.
Dieses klare Bekenntnis hörte man gern in den Chefetagen und Gewerkschaftszentralen an Rhein und Ruhr: „Nordrhein-Westfalen ist das industrielle Herz Deutschlands – und das wollen wir bleiben“, sagte die soeben im Amt bestätigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vor einem Jahr in ihrer Regierungserklärung. Sie ließ wirtschaftsfreundliche Interviews, angenehme persönliche Begegnungen und eine beeindruckende Zahl an Außenterminen ihres trittsicheren Wirtschaftsministers Garrelt Duin folgen. Kraft, selbst Diplom-Ökonomin, wollte offenkundig nicht länger auf ihre umstrittene vorsorgende Sozialpolitik („Kein Kind zurücklassen“) reduziert werden.
Doch ein Jahr nach der Wiederwahl ist in der NRW-Wirtschaft ein überwiegend skeptisches Echo zu vernehmen. Der gute Gesprächskontakt zu Kraft und Duin drücke sich in keiner wirtschaftspolitischen Handschrift aus. Statt „Privat vor Staat“ wie in der kurzen schwarz-gelben Regentschaft vor 2010 erlebe man nun „Staat vor Privat“. Horst-Werner Maier-Hunke, Präsident der Unternehmensverbände in NRW, hat es für die von ihm vertretenen 80 000 Betriebe so formuliert: „Unsere Unternehmen haben zunehmend das Gefühl, von der Politik in die Zange genommen zu werden. Es ist ein Mehr an Kontrolle, ein Mehr an Regulierung, ein Mehr an sozialen Leistungen und vor allem: ein Mehr an Staat.“
Arbeitgeber beklagen Regulierung
Als personifizierter Markteingriff gilt dabei der gewiefte grüne Umweltminister Johannes Remmel, dessen Haus wie kaum ein zweites in Düsseldorf die eigene Agenda abarbeitet. Pünktlich zur Ein-Jahres-Bilanz wurden dieser Tage Überlegungen Remmels öffentlich, Kommunen künftig wieder eine Müllverbrennungsanlage zuzuweisen und mithin den Entsorgungswettbewerb einzuschränken. FDP-Landeschef Christian Lindner behauptet, die Gewichte seien längst verschoben: „Die Grünen dominieren die politischen Entscheidungen in der Koalition.“
Für anhaltende atmosphärische Störungen sorgen die Arbeiten an einem „Klimaschutzplan“ als Gebrauchsanweisung zum verabschiedeten Klimaschutzgesetz. NRW hat festgeschrieben, dass Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden sollen. Da die Klimaschutzziele mit der Raumordnung verknüpft werden, scheint eine Neuausrichtung von Regional- und Bebauungsplänen unvermeidlich. Auch wenn es allerorten beruhigend heißt, NRW werde das Weltklima schon nicht im Alleingang retten, vermittelt sich so keine Investitionssicherheit.
„Bürokratiemonster“ Vergaberecht
Das Streben nach Vorbildhaftigkeit führt auch im Kleineren zu umstrittenen Neuerungen. Gut, ein striktes Rauchverbot war auch im schwarzen Bayern vermittelbar. Die geplante Einschränkung der sonntäglichen Ladenöffnungszeiten wird selbst in konservativen Kreisen begrüßt. Das neue rot-grüne Vergaberecht jedoch ist ziemlich einhellig als „Bürokratiemonster“ verschrien. Wer sich in NRW um einen öffentlichen Auftrag bewirbt, muss neuerdings nicht nur Tariflöhne zahlen, sondern auch allerhand soziale Kriterien erfüllen, den Lebenszyklus seines Produkts berechnen und für eine einwandfreie Lieferkette einstehen. Paragrafen und Vordrucke überfordern selbst Spezialisten. Der Städte- und Gemeindebund NRW bilanziert: Das neue Gesetz erschwere Kommunen die Beschaffung von Material und Dienstleistungen.
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Die rot-grüne Steuerpolitik entwickelt sich ebenso zum Reizthema. Das Eintreten für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer wird als Anschlag auf das Eigenkapital vieler Unternehmen gewertet. Reibung an Rot-Grün ist auch für das kommende Jahr garantiert: Dann sollen die unter Schwarz-Gelb nach unternehmerischen Prinzipien ausgerichteten Hochschulen wieder Teile ihrer Autonomie an das Ministerium verlieren.