Bad Hersfeld. Tausende Pakete werden täglich im bundesweit größten Amazon-Verteilzentrum im hessischen Bad Hersfeld gepackt. Auf den schnellen Weg zum Kunden legt der Versandhändler großen Wert. Aber jetzt wollen die Pakete-Packer streiken. Trotzdem rechnet Amazon nicht damit, dass Kunden wegen des Streiks wesentlich länger auf ihre Bestellungen warten müssen
Nach Ärger mit den Wettbewerbsprüfern und einer hitzigen Debatte um Leiharbeiter stehen die Zeichen beim Versandhändler Amazon nun auf Streik. Neben den Amazon-Mitarbeitern in Leipzig haben sich auch die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten im größten deutschen Verteilzentrum im hessischen Bad Hersfeld mit deutlicher Mehrheit für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Hintergrund ist ihre Forderung nach einem Tarifvertrag gemäß den Konditionen der Einzel- und Versandhandelsbranche, was das Unternehmen bisher ablehnt.
Fast 98 Prozent der Mitglieder zum Streik bereit
Rund 97,6 Prozent der Mitglieder seien zum Streik bereit, teilte die Gewerkschaft Verdi nach der Urabstimmung mit. Bereits in der ersten Mai-Hälfte soll die Arbeit in Osthessen niedergelegt werden, hieß es. Einen genauen Termin nannte die Gewerkschaft nicht, Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Schiederig hält die zweite Mai-Woche aber für wahrscheinlich.
Amazon weigere sich, im Tarifstreit am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, sagte Schiederig am Montagmorgen. "Wenn die Geschäftsführung auch diese Zeichen nicht verstehen will, sind Streiks in absehbarer Zeit nicht mehr zu vermeiden."
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Amazon-Sprecherin Christine Höger wies die Kritik der Gewerkschaft am Montag zurück und sagte, das Unternehmen sei zu weiteren informellen Gesprächen mit Verdi bereit. Allerdings gebe es "derzeit zu wenige Gemeinsamkeiten, um Verhandlungen aufzunehmen". Die Beschäftigten würden bei Amazon vergleichsweise gut bezahlt: "Mitarbeiter der deutschen Logistikzentren liegen mit ihrem Einkommen am oberen Ende dessen, was in der Logistikindustrie üblich ist", sagte Höger. "Über 10 Euro nach einem Jahr, 9,30 Euro davor, plus Boni."
Verdi-Argumentation läuft laut Amazon-Sprecherin ins Leere
Verdi verlangt von dem Unternehmen, den Tarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel anzuerkennen. Für die einzelnen Beschäftigten würde das laut Gewerkschaft bis zu 9000 Euro brutto im Jahr ausmachen. An den beiden Amazon-Standorten in Bad Hersfeld arbeiten rund 3300 Menschen, es handelt sich laut Amazon um ein reines Versandzentrum. "Unsere Mitarbeiter dort leisten logistische Tätigkeiten - Kommissionierung, Verpackung und Versendung von Waren", sagte Höger. Deshalb laufe die Verdi-Argumentation ins Leere.
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Anfang April hatten schon Amazon-Mitarbeiter in Leipzig für einen Streik gestimmt, aber noch keinen Termin für einen Ausstand festgelegt. An den Standorten in Graben und Rheinberg gibt es laut Verdi ebenfalls Bestrebungen für entsprechende Abstimmungen. "Wir arbeiten natürlich an einer Vernetzungsstrategie", sagte Heiner Reimann von Verdi. Zunächst müssten sich aber die dortigen neuen Betriebsräte einarbeiten.
Amazon will größere Auswirkungen zu umgehen
Reimann rechnet allerdings nicht damit, dass Amazon-Kunden allein wegen des Streiks wesentlich länger auf ihre Bestellungen warten müssen: "Solange nicht alle Standorte mitziehen, wird es Amazon gelingen, allein durch Volumenverlagerung größere Auswirkungen zu umgehen", sagte er.
Das in der deutschen Öffentlichkeit eher zurückhaltende Unternehmen stand zuletzt mehrfach im Fokus: Zu Jahresbeginn war Amazon in Deutschland wegen der Behandlung von Leiharbeitern in die Kritik geraten. Auslöser der Debatte war eine ARD-Dokumentation. Zudem hatte das Bundeskartellamt angekündigt, die Rechtmäßigkeit von Preisauflagen für Händler zu prüfen, die Waren über Amazon anbieten. (dpa)