Leipzig/Bad Hersfeld. Die Gewerkschaft Verdi plant am Amazon-Standort in Leipzig eintägige und auch mehrtägige Streiks. Wann die Arbeitsniederlegungen beginnen werden, ließ Verdi am Freitag zunächst offen. Verdi will eine höhere Bezahlung erreichen, die dem Branchentarifvertrag des Einzel- und Versandhandels entspricht.
Erstmals droht einem Amazon-Standort in Deutschland ein Streik. Bei einer Urabstimmung im Leipziger Logistikzentrum des Online-Versandhändlers sprachen sich 97 Prozent der Verdi-Mitglieder für Arbeitsniederlegungen aus, wie ein Gewerkschaftssprecher am Freitag mitteilte. Auch am Amazon-Standort in Bad Hersfeld schloss Verdi eine Streik-Urabstimmung zur Durchsetzung von höheren Löhnen nicht aus.
Das Ergebnis der Urabstimmung in Leipzig wertete Verdi-Verhandlungsführer Jörg Lauenroth-Mago als "sehr eindeutiges Votum für die Entschlossenheit der Beschäftigten". Die Gewerkschaft plant demnach eintägige und auch mehrtägige Streiks. Wann die Arbeitsniederlegungen beginnen werden, blieb zunächst offen. In Leipzig arbeiten rund 800 befristet eingestellte Beschäftigte und 1200 Festangestellte. Rund 540 davon sind den Angaben zufolge Gewerkschaftsmitglieder.
Verdi will eine höhere Bezahlung erreichen, die dem Branchentarifvertrag des Einzel- und Versandhandels entspricht. Bisher gibt es in den deutschen Amazon-Standorten keine Tarifbindung. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten in Leipzig unter anderem eine Lohnuntergrenze von 10,66 Euro sowie ein tarifliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Lauenroth-Mago zeigte sich überzeugt, "dass wir am Ende einen akzeptablen Tarifvertrag haben".
Auch in Bad Hersfeld drohen Streiks bei Amazon
Auch in den zwei Amazon-Betriebsstätten in Bad Hersfeld in Hessen könnte es Verdi zufolge bald zu Arbeitsniederlegungen kommen. Wenn Amazon auch weiterhin nicht verhandeln wolle, dann wäre eine Streik-Urabstimmung "einer der nächsten Schritte", erklärte Geschwerkschaftssekretärin Mechthild Middeke am Freitag in Kassel. Es gehe darum, die Belegschaft "Schritt für Schritt zu mobilisieren".
Bernhard Schiederick vom Verdi-Bezirk Hessen forderte Amazon zur Aufnahme von Tarifverhandlungen auf. Am Montag gibt es zunächst ein Gespräch mit der Geschäftsführung; Amazon lehnt bisher jegliche Verhandlungen ab. Am Dienstag soll die Belegschaft in Bad Hersfeld informiert werden. "Wir sind gut aufgestellt. Das gibt uns Rückenwind für unsere Forderungen", sagte Schiederick der Nachrichtenagentur afp.
Bad Hersfeld ist mit rund 3700 Beschäftigten der größte der sieben Amazon-Standorte in Deutschland. Auch in Hessen pocht Verdi auf Regelungen wie im Tarifvertrag für den Versandhandel. Dazu gehört unter anderem ein Stundenlohn von 12,18 Euro für reguläre Lagerarbeiter.
9,30 Euro Stundenlohn im ersten Jahr plus Bonus
Eine Amazon-Sprecherin erklärte am Freitag, die Mitarbeiter der deutschen Logistikzentren lägen "mit ihrem Einkommen am oberen Ende dessen, was in der Logistikindustrie üblich ist". Im ersten Jahr erhielten sie 9,30 Euro pro Stunde, nach einem Jahr über zehn Euro. Darüber hinaus bekämen alle Logistikmitarbeiter zusätzlich einen Bonus und nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit Aktienanteile, erklärte die Sprecherin in München. Zu den möglichen Auswirkungen eines Streiks auf das Kundengeschäft wollte sie sich nicht äußern.
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Im Februar hatte eine ARD-Fernsehreportage über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Leiharbeitern am Amazon-Standort in Bad Hersfeld für Kritik gesorgt. Die Saisonarbeiter sollen dem Bericht zufolge von privaten Sicherheitsdiensten schikaniert worden sein. Amazon kündigte der Sicherheitsfirma daraufhin. Bei Amazon in Leipzig registrierte Verdi seit Jahresende einen deutlichen Zulauf, wie ein Gewerkschaftssprecher sagte. (afp)