Nürnberg/Bonn. Der Online-Händler Amazon gerät in Deutschland wegen seiner Geschäftspraktiken immer mehr unter Druck: Bei einer Prüfung im Zusammenhang mit dem Leiharbeiter-Skandal hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgestellt, teilte die Behörde mit.
Der weltgrößte Online-Händler Amazon steht weiter am Pranger: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wirft dem Unternehmen vor, gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstoßen zu haben. Dies habe eine Sonderprüfung nach dem Leiharbeiter-Skandal bei Amazon ergeben.
So habe die Arbeitsagentur nach eigenen Angaben gemeinsam mit der Zollverwaltung unverzüglich nach der Ausstrahlung der ARD-Dokumentation "Ausgeliefert" eine Prüfung bei dem Personaldienstleister Trenkwalder durchgeführt. In der Sendung wurde vor rund einer Woche über die schlechte Behandlung von Amazon-Leiharbeitern in Deutschland berichtet. Die Firma Trenkwalder hatte Amazon nach eigener Auskunft rund 1000 Mitarbeiter zur Abdeckung von Auftragsspitzen im Weihnachtsgeschäft überlassen. Dabei habe es Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gegeben, so die BA.
BA widerspricht der Firma Trenkwalder
Die Behörde widersprach damit einer Erklärung von Trenkwalder: Das Unternehmen hatte das am Dienstag mitgeteilt, die Prüfung habe "die öffentlich vorgebrachten Anschuldigungen nicht bestätigt". Die Bundesagentur kündigte an, sie werden nun im Verwaltungsverfahren über die Konsequenzen entscheiden.
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BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker betonte, Zeitarbeit sei eine etablierte Beschäftigungsform auf dem deutschen Arbeitsmarkt. "Es muss sich aber jeder an die geltenden Spielregeln halten." Dies zu kontrollieren und gegen Verstöße vorzugehen, sei eine Aufgabe der Bundesagentur. "Wir wollen keine schwarzen Schafe", sagte Becker.
Die für das Amazon-Logistik-Zentrum in Bad Hersfeld zuständige Arbeitsagentur sieht sich auch von den Verantwortlichen des Unternehmens getäuscht. Man sei bei der Vermittlung von 68 Saisonarbeitskräften aus Spanien stets davon ausgegangen, dass diese bei Amazon direkt eingestellt würden, erklärte die Agentur Bad Hersfeld-Fulda. Wie die Beschäftigten habe man erst zwei Tage vor Arbeitsantritt erfahren, dass eine Zeitarbeitsfirma zwischengeschaltet werden sollte. "Amazon wollte die Leute nicht einstellen", sagte Agenturchef Waldemar Dombrowski
Amazon trennte sich von Sicherheitsfirma
Angesichts der anhaltenden Kritik am Umgang mit Leiharbeitern hat sich Amazon von dem Sicherheitsdienstleister H.E.S.S. getrennt. Die Firma war unter anderem für die Unterbringung der in der Weihnachtszeit eingesetzten Zeitarbeiter im Feriendomizil Seepark im hessischen Kirchheim verantwortlich. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma sollen dem Bericht der ARD zufolge die Leiharbeiter schikaniert und gegängelt haben. Dem Unternehmen werden Kontakte zur Neonazi-Szene nachgesagt, was H.E.S.S. jedoch zurückgewiesen hat.
Das sind nicht die einzigen negativen Schlagzeilen: Amazon ist wegen seiner Preisklauseln auch in das Visier des Bundeskartellamtes geraten. Wie die Wettbewerbshüter am Mittwoch mitteilten, untersage das Internet-Kaufhaus Händlern, die Produkte auf Amazon anbieten, diese auf anderen Plattformen im Internet günstiger zu verkaufen. Dies gelte etwa, wenn Waren neben Amazon auch über das Online-Auktionshaus Ebay oder die eigenen Internetseiten der Verkäufer angeboten würden. Mit dieser sogenannten "Preisparitätsklausel" könne Amazon jedoch "gegen das allgemeine Kartellverbot verstoßen", erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
System könnte zu einem "höheren Preisniveau" führen
Deswegen starte die Wettbewerbsbehörde nun eine Internetbefragung von 2400 Händlern, die über Amazon ihre Produkte anböten. Ein Verstoß durch Amazon gegen das Kartellverbot könne vor allem dann vorliegen, wenn durch die Klausel die freie Preissetzung der Händler behindert und dadurch Wettbewerb zwischen den verschiedenen Online-Marktplätzen beschränkt werde. "Hierfür spricht einiges", erklärte Mundt.
Gerade neue Konkurrenten könnten Verkäufern mitunter günstigere Provisionen für den Verkauf von Produkten anbieten als der Platzhirsch Amazon, um bekannter zu werden, erklärte Mundt. Mit der Preisparitätsklausel jedoch bestehe die Gefahr, dass Verkäufer beim Verkauf von Produkten über Amazon-Konkurrenten "günstigere Konditionen nicht auch in einen günstigeren Preis für den Endkunden einfließen lassen". Dadurch wiederum könne es für die Konkurrenten schwierig werden, "neben Amazon eine hohe Reichweite zu erlangen".
Dieses System könne "insgesamt zu einem höheren Preisniveau zulasten des Verbrauchers" führen. Bestätigten sich die Verdachtsmomente, könne Amazon verpflichtet werden, seine Preisparitätsklausel zu streichen. (dpa/dapd/afp)