Hagen. . Das Rettungspaket der Europäischen Union für Zypern schont die Steuerzahler, verunsichert aber die Sparer. Wer in Zypern mehr als 100.000 Euro auf der hohen Kante hat, muss zahlen. Auch in Deutschland glauben die meisten Bürger der Garantie von Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr. Eine Analyse.

Das vergleichsweise kleine Rettungspaket für Zypern hat das Zeug, den größten Vertrauensverlust in Europa anzurichten. Ob ihr Geld auf der Bank noch sicher ist, fragen nicht nur die Menschen auf Zypern. Den Umfragen zufolge glaubt jeder zweite Bürger in Deutschland der 2008 gegebenen Kanzlerin-Garantie nicht mehr, die Sparguthaben seien sicher.

Dabei wollte die Bundesregierung ihre Bürger schonen und hat dies auch getan. Erstmals werden die Verursacher der Krise, in Zypern die Banken und ihre Gläubiger, mit in Haftung genommen und so die Steuerzahler der Partnerländer etwas entlastet. Nur, dass zu den Gläubigern ganz normale Sparer gehören sollten. Das löst alles andere als Erleichterung aus. Von einem „Experiment“, einer „Zeitenwende“ sprechen die Chefanalysten der deutschen Banken, obwohl sie im Kern das Hilfspaket loben. Denn sie wissen: Die Sorge um das Ersparte ist allemal existenzieller als der Ärger darüber, was der Staat mit den Steuern anstellt.

Europas Chaostage

Zwar werden letztlich „nur“ Guthaben von mehr als 100.000 Euro belastet. Dass noch vor einer Woche auch Guthaben ab 20.000 Euro belangt werden sollten, ist zwar vom Tisch, aber nicht vergessen. Dass die Unterhändler der Eurozone überhaupt in Erwägung gezogen haben, einfachen Sparern ans Geld zu gehen, führt zu einer „Grundverunsicherung“, sagt Finanzwissenschaftler Stephan Paul von der Ruhr-Uni Bochum. „Woher soll man wissen, welche Grenze beim nächsten Hilfspaket gilt und welches Land betroffen ist?“

Nicht ohne Grund verwahrte sich gestern Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gegen ein deutsches Diktat in der Euro-Krise, übergroße Finanzplätze zu zerschlagen. In Luxemburg liegt schon deutlich mehr deutsches Geld als in Zypern.

Die Sorgen

Sorgen machen sich aber auch die Kleinsparer in Deutschland. Zu Recht? Richtig ist: In Deutschland liegt das Gewicht der Banken im europäischen Durchschnitt – die Bilanzsumme macht etwa das Dreifache der Wirtschaftsleistung (BIP) aus. In Zypern ist der Finanzsektor sieben Mal so groß wie die Realwirtschaft, in Luxemburg 20 Mal. Insofern steht der deutsche Bankensektor nicht im Fokus.

Die Umfragen in Deutschland deuten darauf hin, dass die Sorgen ums Ersparte diffus sind. Einerseits vertrauen die Bürger dem Krisenmanagement der Kanzlerin, andererseits nehmen sie ihr die Sparer-Garantie nicht mehr ab. Tatsächlich ist sie nicht mehr als eine Absichtserklärung, anders als die Verpflichtungen der Banken.

Die Sicherheiten und Garantien

In Deutschland gilt wie in der gesamten Eurozone eine gesetzliche Einlagensicherung bis 100 000 Euro. Sie gilt für alle Kontoguthaben, Sparbriefe und Termineinlagen. Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken stehen gegenseitig füreinander ein, sichern so auch höhere Guthaben ab. Sparkassen-Präsident Fahrenschon sah sich dennoch gestern bemüßigt zu sagen: „Es ist völlig ausgeschlossen, dass es in Deutschland einen solchen staatlichen Zugriff auf Spareinlagen geben könnte.“

Auch interessant

Fast alle Privatbanken sind zudem Mitglied eines freiwilligen Sicherungsfonds, der Guthaben bis zu 1,5 Millionen Euro je Kunde absichert. Einen Gesetzesanspruch darauf gibt es jedoch ebenso wenig wie auf die „Merkel-Garantie“.

Denn: „Jede staatliche Garantie gilt nur so lange, wie das Land zahlungsfähig ist. Das steht für Deutschland nicht in Frage, ist aber in anderen Ländern nicht mehr so eindeutig“, sagt Finanzexperte Paul. Er plädiert für mehr Ehrlichkeit: „Absolute Sicherheit gibt es nicht. Das sollte man den Leuten sagen und ihnen raten, sich mehr damit zu beschäftigen, wie und wo sie ihr Geld anlegen.“

Die Zweifel

Hier und da taucht sogar wieder die Frage auf, ob das Geld bei Zinsen nahe Null nicht doch besser unterm Kopfkissen liegt? Die Angst vor Massen-Abhebungen war der Auslöser für die Merkel-Garantie 2008. Sie beruhigte die Leute und nur deshalb funktionierte sie. Denn unser gesamtes Wirtschaftsmodell basiert auf dem Vertrauen, dass man jederzeit an sein Geld heran- und mit ihm Waren bekommt. Ohne Geldfluss bricht das System zusammen. Banken ohne Einlagen, also mit weniger Eigenkapital, vergeben weniger Kredite, Firmen trocknen aus, Menschen verlieren ihre Arbeit.

Nach wie vor gibt es in Deutschland keine panischen Kontoauflösungen. Damit das so bleibt, erneuert die Regierung ihre „Garantie“ genannte Vertrauens-Bitte ständig. Dass dies hierzulande selbst in wirtschaftlich komfortablen Zeiten sein muss, ist kein gutes Zeichen. Eigentlich ist sie für Krisenzeiten gedacht und nicht für hausgemachte Vertrauenskrisen.