Essen. . RWI-Energieexperte Manuel Frondel übt scharfe Kritik am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das Regelwerk verhindere, dass Verbraucher von sinkenden Preisen an den Strombörsen profitieren. Frondel warnt: „Ändert sich im System nichts, werden die Preise weiter steigen.“
Professor Manuel Frondel ist Energieexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Der Diplom-Physiker und Diplom-Wirtschaftsingenieur ist seit Oktober 2003 Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI. Seit 2009 ist Frondel zudem Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie der Ruhr-Universität Bochum.
Im Interview erläutert Frondel, warum das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu Fehlentwicklungen führt und warum die Verbraucher höhere Strompreise zahlen müssen, obwohl die Börsenpreise gesunken sind. Zuweilen bekommen Stromkäufer sogar noch Geld dafür, dass sie den Energieerzeugern Strom abnehmen.
Herr Frondel, Ihre Kollegin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) argumentiert, es wäre leicht für die Stromkonzerne, die niedrigen Börsenpreise an die Kunden weiterzugeben. Stimmt das?
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Manuel Frondel: So leicht ist es nicht. Der Wettbewerb könnte zwar ausgeprägter sein, aber Frau Kemfert unterstellt wohl, dass es keinerlei Wettbewerb am Strommarkt gibt. Doch allein die Tatsache und Möglichkeit, dass auch private Haushalte leicht den Stromversorger wechseln können, verhindert, dass Stromversorger ihre Preise wie Monopolisten nach Belieben setzen.
Warum zahlen die Verbraucher denn höhere Strompreise, obwohl die Börsenpreise gesunken sind?
Frondel: Der wesentliche Grund ist die Systematik des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Wind-, Solar- und Biogasanlagen können am Markt noch nicht mit Kohle- und Kernkraftwerken konkurrieren. Daher wird Kraftwerken für erneuerbare Energien der Strom zu einem fixen Preis abgenommen, der deutlich über dem Preis an der Strombörse liegt. Die Differenz von Börsenpreis und fixem Abnahmepreis zahlen die Verbraucher über ihre Stromrechnung. Das bedeutet: Die EEG-Umlage steigt, wenn die Börsenpreise sinken.
Das EEG verhindert also, dass Verbraucher von sinkenden Börsenpreisen profitieren?
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Frondel: Im Grundsatz ist das so. Wir haben es mit einem Spiraleffekt zu tun. Je stärker die erneuerbaren Energien auf den Markt drängen, desto stärker fallen die Börsenpreise und desto mehr steigt die EEG-Umlage. Entsprechend stark werden die Verbraucher für die Förderung erneuerbarer Energien zur Kasse gebeten. Im vergangenen Jahr stieg die EEG-Umlage von knapp 3,6 Cent je Kilowattstunde im Jahr 2012 auf knapp 5,3 Cent in diesem Jahr. Dies ist zweifellos der Hauptgrund für den neuerlichen Anstieg der Strompreise. Ändert sich im System nichts, werden die Preise weiter steigen.
Teilen Sie die Einschätzung, dass das deutsche EEG ein Erfolgsmodell ist?
Frondel: Das EEG ist sicherlich sehr effektiv, was den Ausbau der Erneuerbaren angeht. Als Erfolgsmodell würde ich das EEG wegen seiner mangelnden Kosteneffizienz aber nicht bezeichnen. Allein für den bis Ende 2012 erfolgten Ausbau der Photovoltaik in Deutschland zahlen die deutschen Stromverbraucher nach unseren jüngsten Berechnungen rund 108 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige Summe angesichts eines Anteils des Solarstroms von weniger als fünf Prozent an der Stromproduktion und des Wegfalls von tausenden von teuer erkauften Arbeitsplätzen wegen Insolvenzen in der Solarbranche durch die billige Konkurrenz etwa aus China.
Bundesumweltminister Peter Altmaier will nun eine Strompreisbremse einführen und Förderrabatte für die Industrie zurückfahren. Die Einspeisevergütung für Neuanlagen soll flexibilisiert werden. Eigentümer bestehender Ökostromkraftwerke sollen über einen sogenannten Energie-Soli an den Kosten der EEG-Umlage beteiligt werden. Ist das sinnvoll?
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Frondel: Die Akzeptanz der Energiewende dürfte in der Tat nur erhalten bleiben, wenn die Strompreise künftig nicht weiter stark ansteigen. Mit Herrn Altmeiers Vorschlägen kann dies nicht gewährleistet werden. Das ist eher ein Herumdoktern, sorgt aber nicht für eine Gesundung des gesamten Systems.
Was schlagen Sie vor, um die Strompreise unter Kontrolle zu halten?
Frondel: Nötig ist eine fundamentale Reform der Förderung erneuerbarer Energien, das heißt ein Wechsel vom EEG auf ein Quotensystem, mit dem teure Technologien wie die Photovoltaik und die Windstromerzeugung vor der Küste vorerst nicht mehr gefördert werden. Stattdessen sollte vor allem mit kostengünstigen Technologien wie der Windstromerzeugung an Land angestrebt werden, das Ziel eines Anteils von 35 Prozent erneuerbaren Energien an der gesamten Stromerzeugung im Jahr 2020 zu erreichen.
Was ist eigentlich die Erklärung dafür, dass Deutschland trotz des Atomausstiegs im vergangenen Jahr Stromexporteur war – und Stromkäufer zuweilen noch Geld dafür bekommen, dass sie den Energieerzeugern Strom abnehmen?
Frondel: Auch das lässt sich mit dem massiven Zuwachs der erneuerbaren Energien erklären. Vor allem an Wochenenden oder Feiertagen mit starkem Wind und niedrigen industriellen Verbrauch kann es zu dem Phänomen der sogenannten negativen Strompreise auftreten. Netzbetreiber sind dazu verpflichtet, den Strom aus erneuerbaren Energien zu kaufen. Die Energie wird dann beispielsweise nach Österreich verkauft und in einem Wasserkraftwerk zwischengespeichert. Auch diese Kosten – sie liegen zwar vermutlich eher im Millionen- und nicht im Milliardenbereich – landen letztlich beim Verbraucher.