Essen. . Mit einer kämpferischen Rede suchte Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger bei der Bilanzpressekonferenz am Dienstag den Weg aus der schweren Konzern-Krise. Das Essener Unternehmen machte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen historischen Verlust von fünf Milliarden Euro.

Die neue Zeit beginnt auf einem kleinen Podium. Heinrich Hiesinger, der Vorstandschef, und Guido Kerkhoff, der Finanzchef, sind die einzigen Mitglieder des Vorstandes von Thyssen-Krupp, die sich etwa 80 Journalisten der schreibenden, fotografierenden und filmenden Zunft stellen. Der Auftrieb wiederum ist eben jenem kleinen Podium geschuldet. Schließlich hat der Technologie- und Stahlkonzern in einer für Dax-Unternehmen einmaligen Aktion drei Vorstände entlassen. Und natürlich lockt auch das Desaster der Stahlwerke in Übersee, die unterm Strich zu einem Verlust von fünf Milliarden Euro führten. Zahlen, die Hiesinger ungeschminkt „erschreckend“ nennt.

Schminke wäre angesichts dieser Verheerungen in der Bilanz (wie gestern berichtet) auch nutzlos. Gleichwohl war die Bilanzpressekonferenz mehr als die Darlegung der Zahlen, sie sollte ein Statement für eine neue Offenheit sein.

Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich ein Vorstandsvorsitzender über das Verhältnis zum Aufsichtsrat und dessen Vorsitzenden äußert. Nun kommt es auch nicht allzu oft vor, dass Aktionärsvertreter und Öffentlichkeit die Rolle eines Aufsichtsratschefs derart in Frage stellen wie das derzeit bei Gerhard Cromme in Sachen Fehlinvestitionen der Fall ist.

Hiesinger stellt sich hinter Cromme

Und so kommt es, dass sich Hiesinger hinter Cromme, den obersten Aufseher, stellt und das externe Gutachten im Gepäck hat, welches den Kontrolleuren bescheinigt, die richtigen Fragen gestellt zu haben. Die Antworten seien im Nachhinein falsch gewesen. „Für die gravierende wirtschaftliche Fehlentwicklung hat der Vorstand die Verantwortung zu übernehmen“, sagt Hiesinger.

Mehr noch: Die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat sei sehr gut, Cromme „hat uns den Rücken frei gehalten und Freiheiten verschafft“. Und: „Wann immer wir Fakten und Analysen vorgelegt haben, war der Aufsichtsrat ein entschlossenes und umsetzungsorientiertes Gremium für uns.“ Selbst dann, wenn Entscheidungen wie der Verkauf der Edelstahlsparte an die Wurzeln des Konzerns gingen.

Eingeleitete Prüfungen

Ein Vorstandschef spricht dem Aufsichtsrat das Vertrauen aus – besondere Krisen verlangen besondere Reden. Rückhalt erfährt Cromme auch von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat. „Die von Herrn Cromme eingeleiteten Prüfungen und Untersuchungen sind richtig und notwendig“, hieß es in einer Erklärung.

Er, so Hiesinger weiter, habe auch den Eindruck, dass das Verhältnis von Vorstand und Villa Hügel, wo die Krupp-Stiftung und ihr Vorsitzender Berthold Beitz (99) ihren Sitz haben, in der Öffentlichkeit falsch wahrgenommen werde. „Seit ich hier bin, hat Herr Beitz nicht einmal angerufen oder einen Brief geschickt mit Blick auf das operative Geschäft.“ Und wenn er als Ehrenaufsichtsratsvorsitzender bei den Sitzungen des Gremiums anwesend gewesen sei, habe er „nie das Wort ergriffen“.

Keine „blinden Loyalitäten und Seilschaften mehr“

Hiesingers Botschaft: Unter seiner Führung werde auf Basis von Fakten und Analysen entschieden. Keine „blinden Loyalitäten und Seilschaften mehr“. Weg mit verkrusteten Strukturen, her mit einer Leistungsorientierung. Das hat Folgen haben für die gesamte Führung des Konzerns. So sollen künftig die Chefs der einzelnen Geschäftsbereiche wie Aufzüge oder Anlagenbau direkt an die Konzernvorstände berichten. Vermutlich hat das eine Verkleinerung des Vorstandes zur Folge. In den kommenden drei Jahren will Hiesinger über Straffung der Abläufe und den Einkauf insgesamt zwei Milliarden Euro einsparen, die sich in dieser Größenordnung auch auf das Ergebnis vor Abzug der Zinsen und Steuern (Ebit) niederschlagen sollen. Ein Personalabbau stehe nicht im Vordergrund, „aber es ist sicher, dass wir schlanker werden müssen“. Es zeichne Thyssen-Krupp aus, dass solche Prozesse „zusammen mit der Mitbestimmung ohne betriebsbedingte Kündigungen“ abgelaufen seien.

Stahl bleibt, Anpassungen möglich

Zur immerwährenden Frage nach der Zukunft des Stahlgeschäftes stellte Hiesinger klar: Thyssen-Krupp plane nicht, sich vom Stahl zu trennen. Ebenso klar ist aber auch, dass derzeit eine intensive Überprüfung stattfindet: was Mengen und Qualitäten angeht wie auch die Frage der Kapazitäten und mögliche Anpassungen an die Marktlage.

Wohl wissend, wie sehr die neuerlichen Abschreibungen auf die Stahlwerke in Höhe von 3,6 Milliarden Euro den Konzern und das Eigenkapital belasten, betonte Finanzchef Kerkhoff: „Thyssen-Krupp ist ausreichend finanziert“. Der Kampf hat begonnen. „Wir sind fest entschlossen“, sagt Hiesinger.