Athen. . Der frühere griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou muss mit einer Anklage und bis zu 20 Jahren Haft rechnen. Er soll eine Steuer-CD manipuliert haben, um Verwandte zu schützen. Noch prüft ein Parlamentsausschuss die Vorwürfe, die Papakonstantinou bestreitet.

Das hoch verschuldete Griechenland kommt nicht zur Ruhe: 2013 startete gleich mit einem Streik der U-Bahn-Fahrer. Wegen der staatlichen Sparprogramme ist der Einzelhandelsumsatz zusammengebrochen. Und am Silvestertag wurde bekannt, dass dem ehemaligen griechischen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou eine Anklage droht.

Es wird eng für Papakonstantinou. Er wird verdächtigt, die Daten einer Steuer-CD manipuliert zu haben, um Verwandte zu schützen. 71 Abgeordnete der drei griechischen Regierungsparteien, darunter auch Parlamentarier der sozialistischen Pasok, der Papakonstantinou bis vergangenen Freitag angehörte, beantragten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Bis Mitte Januar muss das Parlament über den Antrag entscheiden. Die Einsetzung des Ausschusses gilt aber bereits als sicher. Er muss die Vorwürfe gegen Papakonstantinou prüfen. Erhärten sich die Anschuldigungen, könnte der Ausschuss den Ex-Minister wegen Urkundenfälschung und Verstoß gegen die Dienstpflichten vor ein Sondergericht stellen. Im Fall eines Schuldspruchs drohen dem 51-Jährigen bis zu 20 Jahre Haft.

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Steuer-CD verschwunden

Griechische Kommentatoren sprechen von einem der größten politischen Skandale in der jüngeren Geschichte des Landes. Im Mittelpunkt der Affäre steht die „Lagarde-Liste“, eine Daten-CD, die Papakonstantinou im Oktober 2010 als Finanzminister von seiner damaligen französischen Kollegin Christine Lagarde erhalten hatte. Die CD enthielt detaillierte Angaben zu über 2000 Griechen, die Konten bei der Großbank HSBC un­terhielten. Die Da­ten hatte ein Mitarbeiter der Bank entwendet. Ähnliche Listen über­mittelte Lagarde seinerzeit auch an ihre EU-Kollegen.

Doch während de­ren Behörden mit Hilfe der Lagarde-Listen Steuersünder dingfest machten und teils Milliardenbeträge kassierten, blieb das griechische Finanzministerium untätig. Man habe das Material nicht verwerten können, weil es gestohlen sei, hieß es. Finanzminister Papakonstantinou fertigte eine Kopie der CD an, das Original ist aber bis heute verschollen. Die Kopie verschwand ebenfalls für zwei Jahre – bis Evangelos Venizelos, der Papakonstantinou Mitte 2011 als Finanzminister abgelöst hatte, im Oktober 2012 plötzlich einen USB-Stick mit den Bankdaten präsentierte, eine „Privatkopie“, wie er sagte.

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Verwandte geschützt?

Ein Abgleich mit den inzwischen aus Frankreich erneut beschafften Originaldaten zeigte: drei Namen fehlen auf der Kopie. Es handelt sich um eine Cousine von Papakonstantinou, deren Ehemann und den Gatten einer zweiten Cousine. Das Guthaben, um das es geht, beläuft sich auf 1,22 Millionen Dollar.

Der Ex-Finanzminister bestreitet die Vorwürfe: Er habe die Daten nicht manipuliert und auch gar keinen Grund dazu gehabt, denn die Schweizer Gelder seiner Verwandten seien ehrlich verdient und ordnungsgemäß versteuert gewesen. Papakonstantinou sieht sich als Opfer einer „Verschwörung“.