Athen. .
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou macht Deutschland für die Verschärfung der Euro-Schuldenkrise mitverantwortlich.
Die Forderung der Bundesregierung, private Anleger und Banken an der Sanierung von europäischen Krisenstaaten zu beteiligen, könnte einige Länder in die Pleite treiben, sagte Papandreou. Die deutsche Haltung löse „eine Spirale steigender Zinsen für die Länder aus, die in einer schwierigen Position sind, wie Irland und Portugal“, meinte der griechische Premier. „Das könnte zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden“, warnte Papandreou am Montag in Paris, wo er sich zur einem Treffen der Sozialistischen Internationale aufhielt.
Unterdessen bestätigt sich, dass Griechenlands Finanzlage noch prekärer ist als bis bekannt. Das Haushaltsdefizit erreicht 2009 nicht 13,6 sondern 15,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ergab eine Überprüfung der griechischen Defizitzahlen durch die EU-Statistikbehörde Eurostat, deren Ergebnisse am Montag in Luxemburg bekanntgegeben wurden. Damit erwirtschaftete Griechenland im vergangenen Jahr einen noch höheren Fehlbetrag als der bisherige Spitzenreiter Irland mit 14,4 Prozent. Auch in den Jahren 2006 bis 2008 setzte die Athener Regierung die Haushaltsdefizite zu niedrig an, wie Eurostat jetzt feststellte. Ein zusätzlicher Fehlbetrag von 5,33 Milliarden Euro oder 2,3 Prozent vom BIP geht allein auf das Konto fragwürdiger und bisher nicht ordentlich verbuchter außerbörslicher Termingeschäfte, mit denen 2007 die damalige konservative Regierung die Staatsfinanzen schön zu rechnen versuchte.
An der Spitze der Staatsverschuldung
Durch die Revision setzt sich Griechenland auch bei der Staatsverschuldung an die Spitze: die Schuldenlast betrug Ende vergangenen Jahres 126,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Italien liegt mit 116 Prozent auf Platz zwei. Zum Vergleich: Deutschlands Schuldenquote betrug 73,4 Prozent. Der EU-Stabilitätspakt schreibt für den Schuldenstand eine Obergrenze von 60 Prozent des BIP vor.
Für Griechenland hat die Revision erhebliche Folgen: die Vorgaben des Konsolidierungsprogramms, zu dem sich Athen gegenüber der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gegenzug zu den bereitgestellten Hilfskrediten von 110 Milliarden Euro verpflichtet hat, geraten in Gefahr. So wird Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sein Ziel, die Defizitquote in diesem Jahr auf 7,8 Prozent zu begrenzen, mit Sicherheit verfehlen. Man erwarte jetzt einen Fehlbetrag in Höhe von 9,4 Prozent des BIP, teilte das Finanzministerium am Montag mit. Die Staatsverschuldung dürfte Ende dieses Jahres auf 144 statt bisher veranschlagter 133 Prozent vom BIP klettern. Nach Berechnungen des Athener Finanzministeriums wird der Schuldenstand 2013 seinen Höhepunkt erreichen und ab 2014 wieder sinken. Finanzminister Papakonstantinou will aber trotz der Revision an dem Ziel festhalten, das Haushaltsdefizit 2014 unter die im EU-Stabilitätspakt festgeschriebene Höchstgrenze von drei Prozent des BIP zu drücken.
Griechen Opfer abverlangen
Das erfordert allerdings zusätzliche Sparmaßnahmen in den kommenden Jahren. Darüber verhandelt die Regierung seit Montag mit Vertretern der EU, des IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB). Zur Diskussion stehen weitere Streichungen bei den in diesem Jahr bereits um sieben Prozent reduzierten Staatsausgaben, erneute Steuererhöhungen sowie die Sanierung und Privatisierung von Staatsbetrieben. Die Verhandlungen mit der „Troika“, wie die Vertreter von EU, IWF und EZB in Athen genannt werden, stehen unter großem Zeitdruck: am Donnerstag muss Finanzminister Papakonstantinou seinen Haushaltsentwurf 2011 dem Parlament vorlegen.
Ministerpräsident Giorgos Papandreou hält sich politisch für stark genug, seinen Landsleuten weitere Opfer abzuverlangen. In der zweiten Runde der Kommunalwahlen konnten die regierenden Sozialisten am Sonntag wichtige Erfolge erzielen. So stellen sie erstmals wieder seit 24 Jahren die Bürgermeister in den beiden größten Städten des Landes, Athen und Thessaloniki. Die Kandidaten der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) oder von ihr unterstütze unabhängige Bewerber gewannen auch acht der 13 neu geschaffenen Ämter als Regionalgouverneur. Papandreou wertete den Wahlausgang als Bestätigung seines Sparkurses. Wirklich aufatmen kann er aber nicht. Eine am Montag veröffentlichte Umfrage zeigt einen dramatischen Vertrauensverlust für die Regierung: zwei von drei Befragten glauben nicht, dass Papandreou die Finanzprobleme lösen kann. Noch im Februar trauten ihm das 55 Prozent zu. Fast sechs von zehn befragten Griechen halten einen Staatsbankrott ihres Landes für wahrscheinlich, und knapp die Hälft ist der Meinung, Griechenland solle mit seinen Gläubigern über einen Schuldenerlass verhandeln.