Berlin. Wie Angela Merkel und Philipp Rösler die Problemfelder von CDU/CSU und FDP abräumen wollen. Die Abschaffung der Praxisgebühr darf wohl bereits als beschlossen gelten. Die Kanzlerin ist geneigt, den Liberalen den Wunsch zu erfüllen. Doch bei vielen anderen Themen gibt es weiter Krach.
Es bedarf schon einer unverwüstlichen Frohnatur wie der Rainer Brüderles, um dem derzeitigen Koalitionstreiben noch etwas abgewinnen zu können. „Wir haben einen schwarz-goldenen Oktober“, verkündet der FDP-Fraktionschef und prophezeit, dass „rechtzeitig vor Weihnachten alle anstehenden Probleme gelöst“ sein würden: „Es wird Sie überraschen.“
Rechtzeitig vor Weihnachten, genauer gesagt, am übernächsten Sonntag. Dann treffen sich erstmals seit Anfang März wieder die Spitzen der schwarz-gelben Koalition, um all das Gerümpel vom Tisch zu räumen, das sich seither dort aufgehäuft hat: Betreuungsgeld, Praxisgebühr, Stromkosten, Haushaltskonsolidierung, Rente. Der Berg ist gewaltig.
Gewaltig auch das Getöse im Vorfeld. Es ereignet sich in Form eines Interview-Gewitters beim kleineren Koalitionspartner. Voriges Wochenende jagte FDP-Chef den Unionisten einen kalten Schauer über den Rücken, als er sie frontal anging: „Das Modell der Union für ein Betreuungsgeld kostet viel Geld, ist nicht gegenfinanziert, und eine Bildungskomponente fehlt völlig“, so Philipp Rösler. Und fegte gleich noch zwei weitere schwarze Projekte in den Mülleimer: „Schädlich“ seien „nicht finanzierte Vorschläge“ wie Groß- elternzeit und Zuschussrente.
„Wir sind vertragstreu“
Zwar weist Rösler nicht zu Unrecht darauf hin, er habe nur altbekannte FDP-Positionen vorgetragen. Doch macht in einem solchen Fall wohl der Ton die Musik. Jedenfalls mühte sich gleich am Tag danach ebenfalls per Interview Fraktionschef Brüderle um Entspannung: „Wir sind vertragstreu bei den Dingen, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind“, so viel zum Betreuungsgeld.
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Worin dann manche Beobachter flugs einen Machtkampf zwischen Brüderle und Rösler erkennen wollten. Dabei hatte Rösler erklärt, am Betreuungsgeld sei noch zu arbeiten, „wenn es überhaupt kommen soll“, also nicht ausgeschlossen, dass es kommt. Und auch Brüderle hatte geltend gemacht, entscheidend sei die „Ausgestaltung“, also keine bedingungslose Vertragstreue gelobt.
Demoskopen sehen die Liberalen bei drei Prozent
Wahr ist: Nichts braucht Rösler derzeit dringender als irgendeinen Erfolg. Demoskopen sehen die Liberalen wieder bei jämmerlichen drei Prozent. Seine Parteifreunde haben ihn als Vorsitzenden abgeschrieben: Selbst wenn es die FDP im Januar nochmals mit Ach und Krach, mit fünf bis sechs Prozent, in den niedersächsischen Landtag schaffen sollte, sei er im Amt nicht zu retten. In der Union machen sie sich Sorgen: Beim Koalitionspartner sei „die Führungsfrage nicht entschieden“. Die FDP müsse „sich jetzt mal am Riemen reißen“.
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Zwei Anliegen sind es derzeit vor allem, von denen sich Rösler vielleicht noch Rettung erhofft. Er möchte sich präsentieren können als einer, der die Bürger entlastet. Von Gesundheits-, vor allem aber von den Stromkosten. Und er empfiehlt sich als Protagonist einer soliden Finanzpolitik.
Erziehungszeiten anrechnen
Im Koalitionsausschuss wollen die Liberalen darauf drängen, dass sich die Bundesregierung bereits für 2014, zwei Jahre früher als bislang vom Finanzminister geplant, auf einen ausgeglichenen Haushalt festzulegen. Sie könnten damit der Union in die Quere kommen, die sich wünscht, Kindererziehungszeiten im Rentenrecht stärker anzurechnen.
Die Abschaffung der Praxisgebühr hingegen darf wohl bereits als beschlossen gelten. Die Kanzlerin ist geneigt, den Liberalen den Wunsch zu erfüllen. Im Gegenzug werden sich die Liberalen gegen das Betreuungsgeld nicht mehr sträuben. Von einem Kuhhandel zu sprechen, hüten sich die Koalitionäre: „Bei jedem Thema wird hoffentlich das bessere Argument siegen.“ Sagt Rösler.