Düsseldorf. Knut Giesler steht seit wenigen Tagen an der Spitze der Gewerkschaft in NRW. Höhere Löhne, Bildung, Qualifizierung und gute Jobs – das sind seine Themen. Er sagt im Interview: „Lohnerhöhungen gehören dazu wie das Salz zum Spiegelei. Aber wir werden auch künftig soziale Bestandteile in die Tarifverhandlungen einbringen.“

Er war Wuppertaler IG Metall-Chef und nebenbei Hallensprecher der Wuppertaler „Titans“ in der Volleyball-Bundesliga. Nun betritt Knut Giesler (48) die große Gewerkschaftsbühne.

Als Nachfolger von Oliver Burkhard führt er den größten deutschen Metall-Bezirk. Burkhard wechselt voraussichtlich als Arbeitsdirektor in den Vorstand von Thyssen-Krupp. In seinem ersten Interview seit der Berufung spricht Giesler über Löhne, Jobs und die Stahlindustrie.

Herr Giesler, Sie übernehmen eine vor Kraft strotzende IG Metall, die als einzige Großgewerkschaft sogar wieder Mitglieder gewinnt. Eine große Bürde.

Auch interessant

Knut Giesler: Die Verantwortung für 560.000 Mitglieder in NRW zu tragen, macht gerade den Reiz für mich aus, denn daraus ergibt sich ein enormes Gestaltungspotenzial, zum Beispiel, um gegen prekäre Beschäftigung vorzugehen. Das muss keine Bürde sein, Erfolge erzielen darf auch Spaß machen. Ich komme ja hier in ein funktionierendes Team. Es ist ein toller Job.

Ihr Vorgänger Oliver Burkhard hat zuletzt jede Tarifrunde mit sozialpolitischen Themen verknüpft wie Leiharbeit und die unbefristete Übernahme der Auszubildenden. Kehren Sie zurück zu normalen Lohnrunden?

Giesler: Lohnerhöhungen gehören dazu wie das Salz zum Spiegelei. Aber wir werden auch künftig soziale Bestandteile in die Tarifverhandlungen einbringen. Ich denke etwa an Themen wie Bildung und Qualifizierung. Wer heute seinen Abschluss als Elektriker macht, wird damit allein nicht bis zur Rente kommen. Eigentlich braucht er einen Anspruch auf lebenslange Qualifizierung ab dem Ende der Ausbildung.

Fordern Sie das in den nächsten Tarifrunden 2013?

Giesler: Das zu sagen wäre zu früh. So etwas muss in die Zeit und die wirtschaftliche Lage passen. Außerdem werde ich erst mit den Mitgliedern darüber reden.

Glaubt man Ihrer jüngsten Betriebsräte-Umfrage, müssten Ausgliederungen durch Werkverträge Ihr neues Thema werden.

Giesler: Das wird es. Wir müssen aufpassen, dass nicht Leiharbeit durch Werkverträge ersetzt wird. Dann hätten wir nichts gewonnen mit unserem Branchenzuschlag für Leiharbeiter von bis zu 50 Prozent. Wir müssen neu definieren, wann ein Teil aus einem Betrieb ausgelagert werden darf, um hier Zugriff zu bekommen. Und wenn wir eine Auslagerung nicht verhindern können, müssen die Betroffenen in unserem Geltungsbereich bleiben.

Dafür müssten Sie sich mit Verdi anlegen, die sich für Industriedienstleister zuständig fühlt.

Giesler: Warum? Dienstleister in der Industrie gehören eindeutig zu uns. Es ist doch so: Die IG Metall kann weder Leiharbeit noch Werkverträge verbieten. Aber wir könne es unattraktiver machen, solche Geschäftsmodelle zu entwickeln. Auch das Thema Leiharbeit ist für uns nicht abgehakt.

Brauchen wir wieder eine längere Kurzarbeit?

Giesler: Ja, sie muss so schnell wie möglich statt sechs wieder 24 Monate lang möglich sein, so wie in der Krise. Das war das größte Bündnis für Arbeit, das wir je in Deutschland geschaffen haben. Die meisten Betriebe brauchen diese Möglichkeit derzeit zwar noch nicht. Aber man muss die Brücke bauen, bevor die Betriebe das Tal erreichen.

Im Februar führen Sie Ihre erste Stahl-Runde, im April folgt die Metall- und Elektroindustrie. Alle Prognosen für 2013 sinken – keine guten Voraussetzungen.

Giesler: Einen Einbruch wie 2008 sehen wir nicht. Die Prognosen gehen nach unten, aber nicht ins Minus. Solange wir Wachstum haben, gibt es Gestaltungsspielraum für Lohnerhöhungen. Hat nicht sogar Wirtschaftsminister Rösler gerade erst gesagt, der private Konsum sei die Stütze des Wachstums? Dann sollten wir sie stärken.

Die 5,2 Prozent, die Ihr Vorgänger Burkhard in seiner ersten Stahlrunde geholt hat, dürften Ihnen aber schwer fallen.

Giesler: Wir werden die Lage unserer Betriebe genau analysieren. Uns nutzt keine Forderungs-Weltmeisterschaft, was zählt ist der Abschluss der eine hohe Zustimmung findet.