Essen. . Der IG-Metall-Chef stößt selbst die Debatte um den kommenden Vorsitzenden an, um so die Nachfolge-Regie mitbestimmen zu können. Den auserwählten Kandidaten behagt das gar nicht. Dazu gehören die NRW-Gewerkschafter Wetzel und Burkhard.

Seit den rot-grünen Sozialreformen sind die Schnittmengen kleiner geworden zwischen SPD und IG Metall. Doch im Kampf mit sich selbst sind manche Verhaltensmuster noch schön synchron gestrickt. Männer in dunklen Anzügen und roten Krawatten ziehen Fäden im Hintergrund, verbitten sich Debatten zur Unzeit, zetteln sie dann selbst an und fangen sie nicht wieder ein, bis weißer Rauch aufsteigt. So macht es die SPD mit ihren Kanzlerkandidaten und nun die IG Metall bei der Suche nach ihrem neuen Gewerkschaftschef.

Früher Abschied - mit Nachfolgeregelung

Die Führungsdebatte eröffnet hat der Erste Vorsitzende höchstselbst: Berthold Huber (62) verriet dem „Spiegel“, er denke darüber nach, vorzeitig abzutreten. Schon vor seiner Wiederwahl im vergangenen Herbst kursierten Gerüchte, er wolle zur Mitte seiner Amtszeit, also 2013, Platz machen für einen Jüngeren. Auch diese Staffelübergabe kennt man aus der Politik, dort vor allem von alternden Ministerpräsidenten. Für den Scheidenden hat sie meist den Vorteil, dass er seinen Nachfolger selbst bestimmen kann. Diesen Anspruch erhebt auch Huber, wenn er sagt: „Viele fühlen sich berufen, doch wenige sind auserwählt.“

Die Auserwählten sind, welch Zufall, eine Troika. Detlef Wetzel (59) ist als Hubers Vize traditionell erster Anwärter auf die Nachfolge. Hinzu kommen die Chefs der beiden stärksten Landesverbände: Oliver Burkhard (40) aus NRW und Jörg Hofmann (57) aus Baden-Württemberg haben alle großen Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre ausgehandelt.

Erneuerung wäre 2015 abgeschlossen

Deshalb folgt ein seit Frühjahr 2011 gehandeltes Szenario, das offiziell als Spekulation abgetan wird, einer gewissen Logik: Der Siegener Wetzel könnte die zweite Hälfte von Hubers Amtszeit übernehmen und 2015 an Hofmann übergeben. 2019 wäre auch der zu alt und Burkhard könnte den vom letzten Gewerkschaftstag gewünschten Generationenwechsel abschließen. Mit dann 47 Jahren wäre er für einen IG-Metall-Chef noch immer ungewöhnlich jung.

Doch die Gewerkschaftsbasis tut sich zuweilen schwer als Stimmvieh für designierte Nachfolger. Niemand weiß das besser als Huber. 2003 wollte der scheidende Klaus Zwickel ihn ins Amt heben – doch die Basis zog den streitlustigen Jürgen Peters vor, obwohl der die ostdeutschen Streiks für die 35-Stunden-Woche vor die Wand gefahren hatte. Der Flügelkampf zwischen dem hartleibigen Traditionalisten Peters und dem feingeistigen Reformer Huber stürzte die IG Metall in eine tiefe Krise.

Wer auf dem Schild ist, gibt eine gute Zielscheibe ab

Genau deshalb will Huber diesmal einen glatten Übergang. Die Debatte, die mit der noch ausstehenden Terminierung des außerordentlichen Gewerkschaftstags 2013 ohnehin begonnen hätte, stößt er lieber selbst an. Den „Auserwählten“, die Huber nicht beim Namen nennt, ist das alles andere als recht. Wer auf den Schild gehoben wird, gibt eine gute Zielscheibe ab. So betont Burkhard bei jeder Gelegenheit, sein Platz sei in NRW. Auch gestern gab es zur Führungsfrage aus Düsseldorf „keinen Kommentar“. Wer die Metaller aus der NRW-Zentrale kennt, weiß, dass ihnen die Debatte gar nicht in den Kram passt. Burkhard hat in der Krise zukunftsweisende und in guten Jahren sehr hohe Tarifabschlüsse erzielt. Das hat ihm einigen Respekt auch unter Arbeitgebern eingebracht. Als Landeschef auf der Durchreise wäre seine Position geschwächt.

Der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel, der in engem Kontakt mit Burkhard steht, nennt die Personaldebatte deshalb „nicht hilfreich“. Es gebe „wichtigere Themen, für die wir unsere Kraft einsetzen sollten“, sagt er, etwa die Verlängerung der Kurzarbeit oder der Erhalt von Industriearbeitsplätzen in NRW.

Siegeszug der Reformer

Allerdings stehen Hubers Chancen nicht schlecht, die Nachfolge in seinem Sinne zu regeln. Flügelkämpfe im Ausmaß wie 2003 gibt es nicht mehr, dafür war die Zeit mit der Reformer-Doppelspitze Huber/Wetzel seit 2007 zu erfolgreich. Sie passten zusammen „wie Topf und Deckel“, sagte Huber einmal, und haben aus dem alten Kampfapparat eine Gewerkschaft geformt, die gesellschaftliche Debatten anstößt und für sich nutzt. Die IG Metall wächst als einzige Großgewerkschaft wieder und hat mit 2,25 Millionen Mitgliedern Verdi längst als größte Gewerkschaft abgehängt.

Wetzel hat dazu als Kampagnenführer etwa gegen Leiharbeit viel beigetragen, doch seine leise, nachdenkliche Art prädestiniert ihn nicht eben zum Wortführer an vorderster Front. Vielleicht aber zu einem von zwei Platzhaltern für Burkhard. Der ruft freilich wie jedes Naturtalent viele Neider auf den Plan. Die Frage ist, wie viel Zeit man ihnen gibt, sich an ihm zu reiben.