Essen. . Bezirksleiter Oliver Burkhard soll Arbeitsdirektor bei Thyssen-Krupp werden. Eine steile Gewerkschaftskarriere endet abrupt, eine neue beim Stahlriesen beginnt. Dabei hatten viele fest damit gerechnet, dass Burkhard eines Tages die bundesweite Chefrolle der Metallgewerkschaft übernimmt.
Die IG Metall verliert einen Hoffnungsträger, Thyssen-Krupp gewinnt einen „Diamanten, in allen Facetten geschliffen“. Das sagt zumindest Gesamtbetriebsratschef Willi Segerath über Oliver Burkhard. Der 40-Jährige soll im November zum neuen Arbeitsdirektor bei Thyssen-Krupp berufen werden. Jenem Stahlkonzern, der längst sein Geld mit der Technologiesparte verdient und auf der Suche nach einer neuen Identität so manche Wurzel gekappt hat, zuletzt die Edelstahlsparte Nirosta.
Der Wechsel kommt für viele Metaller überraschend. Seit fünf Jahren führt Burkhard die Gewerkschaft in NRW. Mit seinen Tarifabschlüssen hat er bundesweit für Aufsehen gesorgt. Gleich in seiner ersten Stahlrunde 2008 holte er 5,2 Prozent. In der Wirtschaftskrise bastelte er mit an der Ausweitung der Kurzarbeit, wofür die Bundesregierung sogar Gesetze änderte.
Spätestens 2019 hätte Burkhard IG-Metall-Chef werden können
Deshalb trauten Burkhard viele zu, es über kurz oder lang in der IG Metall ganz nach oben zu schaffen. Planspiele sahen ihn spätestens 2019 als Chef in der Frankfurter Zentrale. Die Führung im größten Landesverband galt als beste Schule für den gebürtigen Frankfurter, um als Vorsitzender in die Heimat zurückzukehren. Deshalb ist die Freude über seinen Wechsel in die Wirtschaft in Frankfurt auch nicht ungeteilt.
Offiziell betont IG-Metall-Chef Berthold Huber aber lediglich, wie wichtig es sei, ein Schwergewicht wie Burkhard als Arbeitsdirektor für Thyssen-Krupp vorzuschlagen: Dies sei schließlich „einer der wichtigsten Konzerne für die industrielle Wertschöpfung in Deutschland“. Die Metaller in Frankfurt wie in Düsseldorf erwarten „turbulente Jahre“ bei Thyssen-Krupp, so Gewerkschaftskreise. Dafür brauche man auch dort im Vorstand „die Besten“.
Tatsächlich ist die Rolle des Arbeitsdirektors bei einem Stahlriesen, der sich gesund schrumpfen will, alles andere als ein Versorgungsposten. Gut dotiert ist er aber allemal. Der aus gesundheitlichen Gründen scheidende Arbeitsdirektor Ralph Labonte hat zuletzt rund zwei Millionen Euro im Jahr verdient. Auch für den Familienvater Burkhard wird sich der Wechsel von der Gewerkschaftsspitze ins Industrie-Management lohnen.
Nun muss Burkhard Diplomatie betreiben, statt Kampagnen zu machen
Seine gewohnte Rolle als Arbeitnehmervertreter wird er jedoch neu interpretieren müssen. Als Vorstandsmitglied muss er statt Kampagnen eher die Kunst der Diplomatie pflegen. Und sich dafür womöglich von seinem Nachfolger an der Gewerkschaftsspitze kritisieren lassen müssen. So wie er 2009 als IG-Metall-Chef über den Konzernvorstand schimpfte, weil er sich über den geplanten Stellenabbau zu spät informiert sah.
Burkhard wechselt nicht als erster IG-Metall-Chef in NRW ins Management. Seine Amtsvorgänger Harald Schartau (1997 - 2000) und Peter Gasse (2000 - 2004) wurden Personalchefs bei der Georgsmarienhütte bzw. HKM.
Nachfolger kommt aus NRW
Burkhard selbst wollte sich gestern nicht zu seiner neuen Rolle äußern. Er hinterlässt in der Düsseldorfer Gewerkschafts-Zentrale eine Lücke, die ein Metaller aus der Basis im Ruhrgebiet „riesig“ nennt. Die Frage des Nachfolgers soll nun zügig geklärt werden. „Ich bin optimistisch, dass eine sehr gute Lösung aus NRW gefunden wird“, sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, dieser Zeitung. Damit stellte er gleich klar, dass Frankfurt keinen Funktionär aus ihrer Zentrale nach NRW entsenden wird. Denn den Vorschlag macht zwar NRW, entscheiden muss aber der Bundesvorstand.
Allerdings ist die hiesige IG Metall mit dem Hessen Burkhard nicht schlecht gefahren. Er kam 2007 aus der Mainmetropole nach Düsseldorf. Sein Nachfolger soll aus NRW kommen. Ein Favorit ist noch nicht erkennbar.