Brüssel. . Die EU-Kommission will den Anteil von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futterpflanzen begrenzen. Mais oder Getreide sollen eher auf die Teller statt in die Autotanks. Die Kommission setzt eher auf Sprit aus Abfällen. Das schmeckt nicht jedem.
Europas Bürger sollen künftig umweltfreundlicheren Biosprit tanken. Dazu will die EU-Kommission die Menge von Biokraftstoff aus Weizen und anderen Nahrungspflanzen begrenzen. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag machten EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Klimakommissarin Connie Hedegaard am Mittwoch in Brüssel. Kritik kam aus der Biosprit-Branche. Umweltschützer hingegen werfen der EU-Kommission vor, das Problem nur halbherzig anzupacken. In Deutschland haben Tankstellen seit 2011 den Kraftstoff „E10“. Ihm sind zehn Prozent Biosprit beigemischt.
Was für Probleme bereitet Biosprit?
Biosprit wird unter anderem aus Weizen, Raps,
Mais, Zuckerrohr oder Pflanzenölen hergestellt. Was die Industrie zu
Biokraftstoff umwandelt und mit herkömmlichem Benzin oder Diesel aus Rohöl
mischt, könnte damit genauso gut auf den Tellern landen und gegessen
werden.
Zudem werden diese Pflanzen auf Feldern angebaut, die genutzt werden könnten, um Getreide für Lebensmittel zu pflanzen oder Nutzvieh weiden zu lassen. Anders gesagt: Biosprit konkurriert mit Lebensmitteln um Anbauflächen. Es gibt zwei Arten von Biokraftstoff. Bioethanol wird aus Zuckerrohr oder Getreide gewonnen. Er kann herkömmliches Benzin ersetzen. Biodiesel wird vor allem aus Pflanzenölen produziert – als Ersatz für „normalen“ Diesel. Diese zwei Arten werden „Biosprit der ersten Generation“ genannt.
Weltweit wachsen nach EU-Angaben auf fast drei Prozent der Ackerfläche Pflanzen, aus denen Biosprit produziert wird. In der EU werden etwa zwei Prozent der Landwirtschaftsfläche dafür genutzt. 4,7 Prozent des Kraftstoffs, der in Europa in den Tanks von Autos oder Lastern landet, Biosprit der ersten Generation.
Soll dieser Biosprit vermehrt in die
Tanks fließen?
Nein. Die
EU-Kommission schlägt vor, den Anteil dieses Biosprits der ersten Generation bis
2020 auf fünf Prozent zu deckeln. Ab dann soll der Anbau dieser Pflanzen auch
nicht mehr staatlich gefördert werden.
Pflanzen-Biosprit ist zudem nicht gleich Pflanzen-Biosprit. Getreide, Mais oder Zuckerrohr gelten laut EU-Experten als ökologischere Zutaten für Kraftstoff. Schlechter in der Umweltbilanz schneiden Sojabohnen, Palmöl und Raps ab.
Geht es nach dem Willen von Oettinger und Hedegaard, soll der Anteil erneuerbarer Energien im europäischen Transportbereich bis 2020 auf zehn Prozent der gesamten verbrauchten Kraftstoffmenge steigen. Da der Anteil des Biosprits der ersten Generation gedeckelt werden soll, müsste der Rest aus anderen erneuerbaren Energiequellen kommen.
Ist das
machbar?
Die EU-Kommission findet ihr
Ziel ehrgeizig, aber realistisch. „Ich halte die zehn Prozent für technisch und
wirtschaftlich erreichbar“, sagt Oettinger.
Zugleich soll der Ausstoß klimaschädlicher Treibhaus-Gase wie CO2 um
sechs Prozent sinken. Dazu könnten auch Elektro-Autos beitragen, betont
Oettinger. „Wir erwarten schon einiges durch Elektromobilität.“
Der Hintergrund dieser EU-Ziele sind die Klima- und Umweltschutz-Ziele, die sich die Europäer verordnet haben. Aus Europas Verkehrsbereich kommen derzeit etwa 20 Prozent aller in der EU ausgestoßenen Treibhaus-Gase.
Gibt es andere
Möglichkeiten, Biosprit zu produzieren?
Ja. Biosprit kann auch aus Müll, diverse Abfall-Arten, Algen oder Stroh hergestellt werden. Das sind die „Biokraftstoffe der zweiten Generation“. Aus ihren Bestandteilen werden keine Lebensmittel hergestellt. Zudem müssen für die Herstellung dieser Biokraftstoffe keine Ackerflächen für Nahrungspflanzen in Flächen für „Biosprit“-Pflanzen umgewandelt werden.
Anders ausgedrückt: Tank und Teller konkurrieren hier nicht um die Rohstoffe. Die EU-Kommission sieht noch einen Vorteil: Die Herstellung von Biosprit aus Müll oder Abfällen verursache deutlich weniger schädliche Treibhaus-Gase als fossile – aus Rohöl gewonnene - Kraftstoffe. Daher setzt die EU-Kommission auf diesen Biosprit. Sie möchte seine Herstellung stärker fördern. „Bisher sind die Anreize dafür nicht so groß“, sagt Hedegaard.
Wie soll das gelingen?
Die EU-Kommission schlägt einen neuen Faktor vor, um die Umweltbilanz
von Biokraftstoffen zu bewerten. Zum ersten Mal solle bei der
Biosprit-Herstellung berücksichtigt werden, ob und inwieweit dafür der Anbau von
Nahrungs- oder Futterpflanzen verlagert werde – auf Flächen, die zuvor nicht
landwirtschaftlich genutzt wurden. So will die EU-Kommission vermeiden, dass zu
viele Wälder oder Regenwälder gerodet werden.
Wird dieser Faktor in die Treibhausgas-Bilanz von Biosprit einbezogen, zeigt sich aus EU-Sicht Folgendes: Die Herstellung einiger Biokraftstoffe erzeugt dann ebenso viel klimaschädliches CO2 wie herkömmlicher Sprit aus Rohöl.
Benzin könnte teurer werden
Die geplanten neuen EU-Regeln für Biosprit dürften auch Folgen für Verbraucher haben: Benzin könnte teurer werden. Kurzfristig werde das aber wohl nicht der Fall sein, sagten EU-Experten. Längerfristig könnte das Tanken aber durchaus teurer werden. Denn die Preise für Biosprit aus Nahrungs- oder Futterpflanzen werden laut den Experten wohl steigen, falls die staatliche Förderung für diesen Kraftstoff wie geplant ab 2020 gestrichen werde. Umweltorganisationen sehen weitere Folgen für die Menschen. Die europäische Biosprit -Politik werde „den weltweiten Hunger weiter verschärfen und die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe treiben“, befürchtet zum Beispiel die Hilfsorganisation Oxfam. Denn weltweit steige die Biosprit-Produktion. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nannte Biosprit als „Preistreiber auf den internationalen Agrarmärkten“. Aus Nahrungs- und Futterpflanzen hergestellter Kraftstoff sei mitverantwortlich für den Hunger der Welt. Niebel begrüßte daher das Bestreben der EU-Kommission, den Verbrauch dieses Biosprits in Europa zu begrenzen. (sbi/WE)
Was sagt die
Biosprit-Industrie?
Sie ist in
Aufruhr – seit Wochen. Schließlich sickerten Oettingers und Hedegaards Pläne
bereits durch. „Die EU-Kommission betreibt eine Anti-Biosprit-Politik“,
wettert zum Beispiel Philippe Dusser vom französischen Unternehmen Sofiprotéol,
nach eigenen Angaben einer der größten Biosprit-Hersteller in Europa. In
Deutschland und Frankreich wird laut Dusser der mit Abstand meiste Biosprit in
der EU hergestellt.
Die Branche malt Schreckensszenarien an die Wand angesichts der EU-Gesetzesvorschläge. Zehntausende Arbeitsplätze seien bedroht, lautet eines. Schließlich habe Biosprit der ersten Generation mit den neuen EU-Zielen praktisch ausgedient. Das sei auch verheerend für Kraftstoffe aus Abfällen – denn die Branche stecke viel Geld in deren Erforschung und Entwicklung. Dieses Geld stamme aus den Erlösen, den die Unternehmen mit Biosprit der ersten Generation erzielten.
EU-Klimakommissarin Hedegaard schmettert diese Lobbyisten ab. Die Branche kenne die EU-Haltung zu Biosprit seit langem. Die Unternehmen hätten also Zeit gehabt und bekämen Zeit, um verstärkt Kraftstoff aus Abfällen herzustellen. „Wir senden ein starkes Signal“, sagen Hedegaard und Oettinger. Biosprit der ersten Generation spiele weiterhin eine Rolle. Die Zukunft aber gehöre aber Sprit aus Abfällen.
Wie geht es weiter?
Nun
prüfen die europäischen Staaten und das EU-Parlament die Gesetzesvorschläge von
Oettinger und Hedegaard. Die EU-Kommissare erwägen in den nächsten Jahren
Nachbesserungen – die Erforschung von Biosprit gehe ja weiter.