Berlin. . Ab 2013 sollen niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten bis zu 1,27 Milliarden Euro mehr Honorar bekommen. Die Mediziner wollen sich aber nicht mit dem ausgehandelten Lohn-Kompromiss zufriedengeben. Weitere Protestaktionen sind bereits geplant. Fragen und Antworten zum Streit.

Die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten sollen ab 2013 bis zu 1,27 Milliarden Euro mehr Honorar bekommen. Dennoch haben gestern tausende Mediziner ihre Praxen geschlossen und protestiert. Weitere Aktionen sind angedacht, denn ihnen reicht der Kompromiss nicht aus.

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Was verdienen niedergelassene Ärzte?

Bisher im Schnitt 5442 Euro netto im Monat. Zum Vergleich: Das Durchschnittsnetto pro Haushalt liegt in Deutschland derzeit bei 2700 Euro.

Was bekommen die Ärzte und Psychotherapeuten nun zusätzlich?

1,15 bis 1,27 Milliarden Euro. Das sind drei bis vier Prozent mehr Honorar, wovon den Medizinern am Ende freilich nur ein Teil unter dem Strich bleibt. Es gibt etwa mehr für die Grundversorgung und für extrabudgetäre Leistungen wie Prävention. Zudem fließt das Geld für psychotherapeutische Leistungen nicht mehr aus dem Facharzttopf. So sind für die Leistungen der Fachärzte mehr Mittel vorhanden. Gefordert hatten die Mediziner zu Beginn 3,5 Milliarden Euro mehr. Die Kassen wollten die Honorare um 2,2 Milliarden Euro stutzen.

Warum ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit dem Ergebnis einverstanden und die Ärzteschaft nicht?

Die KVB führt Honorarverhandlungen für alle Ärzte. Allerdings gibt es viele freiberufliche Mediziner, organisiert in freien Ärzteverbänden, die teils Spezialinteressen vertreten. Viele fühlen sich von der KBV nicht gut vertreten. Nun ist manchen das Honorarplus zu niedrig. Die Mediziner verlangen zudem feste Preise für ihre Leistungen und sehen sich in ihrer Therapiefreiheit durch die Kassen eingeschränkt. Außerdem sind die Ärzteverbände sauer auf das System der Selbstverwaltung.

Der Essener Orthopäde Ramin Nazemi ist zu den Kundgebungen gegangen, weil er mit dem jetzigen Beschluss die Qualität bei der Patientenversorgung in Gefahr sieht. „Es fehlt Geld für neue Geräte“, sagte Nazemi. Besonders stört ihn an der Debatte, dass das Honorar mit dem Einkommen gleichgesetzt werde. Damit will der Mediziner sagen, dass von den 1,27 Milliarden Euro nicht alles bei den Ärzten bleibt, sondern ein Gutteil in Ausgaben wie Praxiskosten fließt.

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Von Daniel Freudenreich

Warum hadern die Ärzte so sehr mit dem System der Selbstverwaltung?

Es gibt Probleme auf zwei Ebenen. Im System der Selbstverwaltung verhandeln der GKV und die KBV über die Honorare. Kommt es zu keinem Ergebnis, macht ein Schlichter einen Vorschlag. Das war vor einigen Wochen der Fall. Pikant: Der Schlichter und die GKV überstimmten die Ärztevertreter, die mit dem 270-Millionen-Plus nicht einverstanden waren. Das zweite Problem betrifft die Selbstverwaltung, die die Verteilung der Honorare regelt. Sie erfolgt seit Jahren zwischen den Bundesländern und den Arztgruppen ungleich. Der Chef der KV-Nordrhein, Peter Potthoff, sagte unlängst im WAZ-Interview, dass die Selbstverwaltung nicht in der Lage sei, das Geld gerechter zu verteilen, und forderte Hilfe von der Politik.

Inwiefern profitieren die Patienten von dem Beschluss?

Die gesetzlich Versicherten erhalten ab 2013 zusätzliche Leistungen in der Grundversorgung der Haus- und Fachärzte. Details sind noch offen. Zudem dürfte es leichter werden, einen Termin beim Psychotherapeuten zu bekommen. Denn deren Leistungen werden nun ohne Kostendeckel von den Kassen direkt bezahlt.

Jetzt soll es 1,27 Milliarden Euro extra geben. Ist genug Geld im System?

Ansichtssache. Jedenfalls sind die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für Arzthonorare schon in 2011 um gut zehn Prozent auf 33,7 Milliarden Euro gestiegen. Im Schnitt verdiente ein Kassenarzt 5442 Euro netto im Monat. Schön und gut. Doch es gibt Mediziner, die deutlich weniger bekommen. Dies liegt auch an Verteilungsproblemen. Zum einen verdienen die Arztgruppen unterschiedlich viel. Ein Orthopäde kommt laut KBV auf 6344 Euro netto im Monat und ein Allgemeinmediziner auf 5018 Euro. Zum anderen gibt es Verdienstunterschiede je nach Anzahl der lukrativen Privatpatienten und dem Bundesland. Freilich spielt auch der Standort – Stadt, Land - eine Rolle.

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Wie geht es im Honorarstreit weiter?

Am 22. Oktober soll die Einigung besiegelt werden. Danach müssen die Kassen und die Ärzteschaft verhandeln, wie das Geld regional verteilt wird. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände will dennoch weitere Proteste starten. Kommende Woche werde man sich zusammensetzen.