Hamburg. Griechenland rückt der Staatspleite offenbar immer näher. Laut einem Medienbericht will der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Finanzhilfen für Griechenland stoppen. Das Land konnte den Schuldenstand bisher nicht so weit drücken wie gefordert.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) will einem "Spiegel"-Bericht zufolge seine Hilfe für Griechenland beenden. Hochrangige IWF-Vertreter hätten der EU-Spitze signalisiert, dass sich der Währungsfonds nicht an weiteren Hilfen für Griechenland beteiligen werde, schreibt das Nachrichtenmagazin ohne nähere Quellenangabe. Damit werde eine Pleite Griechenlands im September wahrscheinlicher.

Derzeit untersucht die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF, wie weit das Land seinen Verpflichtungen nachkommt. Fest steht der Meldung zufolge bereits, dass die Regierung in Athen den Schuldenstand des Landes nicht wie vereinbart bis zum Jahr 2020 auf rund 120 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung drücken kann. Falls das Land mehr Land mehr Zeit erhalte, erfordere das zusätzliche Hilfen zwischen 10 und 50 Milliarden Euro, hieß es.

Westerwelle lehnt Neuverhandlungen mit Griechenland ab

Außenminister Guido Westerwelle hat neue Verhandlungen zur Erleichterung der Schuldenlast Griechenlands abgelehnt. "Wir werden einer substanziellen Änderung der getroffenen Vereinbarungen nicht zustimmen", sagte der FDP-Politiker dem "Hamburger Abendblatt". Die Frage eines neuen Hilfsprogramms stelle sich derzeit zwar nicht. Er sehe aber Wünsche aus Griechenland, neu zu verhandeln und die Reformpflichten infrage zu stellen. "Das geht nicht. Das ist ein Rubikon, den wir nicht überschreiten werden", sagte Westerwelle.

Griechenland solle nicht nur sagen, dass es zur Euro-Zone gehören will, sondern mit Reformpolitik auch so handeln. "Erst verhandeln, dann vereinbaren, dann Hilfe erhalten - und danach gelten die eigenen Verpflichtungen nicht mehr? Das kann nicht funktionieren." Griechenland hatte zuletzt mehr Zeit für die Umsetzung des Reformprogramms erbeten, was wiederum zusätzliche Stützungsgelder bedeuten würde.

Griechenland hat die eigenen Sparziele in der ersten Jahreshälfte nach Angaben des Finanzministeriums in Athen erfüllt. Das Defizit in den Monaten Januar bis Juni habe 12,5 Milliarden Euro betragen und damit deutlich unter dem angestrebten Wert von 14,9 Milliarden Euro gelegen, hieß es in einer Mitteilung. Das Primärdefizit - abzüglich fälliger Zinszahlungen - lag den Angaben zufolge bei 3,3 Milliarden Euro und damit ebenfalls unter dem Ziel von 5,3 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr 2012 will Griechenland sein Haushaltsdefizit auf 7,3 Prozent reduzieren, nach 9,2 Prozent im Vorjahr. 2009 hatte das griechische Defizit einen Rekordwert von 15,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht.

Steinbrück erwartet Verkleinerung der Euro-Zone

Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet damit, dass im weiteren Verlauf der Euro-Krise mehrere Länder die Währungsunion verlassen werden. "In einigen Fällen mehren sich bei mir die Zweifel, ob alle Länder in der Eurozone gehalten werden können", sagte Steinbrück der "Bild am Sonntag". "Ich kann nicht erkennen, dass einige Länder, die Lücke ihrer Wettbewerbsfähigkeit schließen können." Konkrete Staaten wollte der SPD-Politiker aber nicht nennen. Auch äußerte er sich überzeugt, dass der Euro grundsätzlich fortbestehen werde.

Mit Blick auf die Lage der Banken forderte Steinbrück dazu auf, mehr Geldinstitute pleite gehen zu lassen: "Nach meiner Überzeugung spricht rein nichts dagegen, nicht nur spanische Banken zu Lasten ihrer Aktionäre und Gläubiger zu restrukturieren oder gar abzuwickeln." Erforderlich sei dafür ein europäisches Banken-Insolvenzrecht. Am Freitag hatten die Euro-Finanzminister Hilfskredite für Spaniens angeschlagene Banken von bis zu hundert Milliarden Euro beschlossen. Zuvor hatte auch der Bundestag dem zugestimmt.

Für ein schrittweises Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone warb erneut CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Der griechische Staat sollte jetzt damit anfangen, die Hälfte seiner Beamtengehälter, Renten und sonstigen Ausgaben in Drachmen auszuzahlen", sagte er der "Welt am Sonntag". Ein solcher "sanfter Weg" zurück zur alten Währung sei für Griechenland besser als ein harter Schnitt. "Die Drachme als Parallelwährung würde die Chance eröffnen, wirtschaftliches Wachstum zu entfalten", argumentierte der CSU-Politiker.

Schavan kündigt Bildungshilfe für Spanien und Griechenland an

Deutschland will nach Angaben von Bundesforschungsministerin Annette Schavan nicht nur Spanien beim Aufbau eines dualen Berufsausbildungssystems helfen. "Der nächste Schritt wird Griechenland sein, das ebenfalls großes Interesse hat", sagte Schavan in einem am Samstag veröffentlichten Reuters-Interview. Spätestens Anfang 2013 wolle sie alle interessierten EU-Regierungen nach Berlin einladen. Schavan bezeichnete es als "große Schwachstelle" der EU, dass im Schnitt mehr als 20 Prozent der Jugendlichen arbeitslos sind. "Ich sehe es als unsere vordringliche Aufgabe an, dies zu beenden", betonte die CDU-Politikerin.

Mögliche deutsche Hilfe etwa bei der Erarbeitung von Lehrplänen oder Kontakten mit Unternehmen werde auch Thema bei einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Madrid auf der deutsch-spanischen Wirtschaftskonferenz am 6. September sein, kündigte Schavan an. Im EU-Haushalt stünden erhebliche Mittel zur Verfügung. Im krisengeschüttelten Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit mittlerweile bei über 50 Prozent.

EIB will griechische Firmen mit Krediten versorgen

Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird angeschlagenen griechischen Firmen mit Krediten im Gesamtumfang von 1,44 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Dies kündigte der griechische Finanzminister Yannis Stournaras am Samstag nach einem Gespräch mit EIB-Chef Werner Hoyer an. Die Gelder würden in den kommenden drei Jahren an kleine und mittelgroße Unternehmen vergeben. Zudem sei die EIB bereit, Griechenland beim Straßenbau, Auslandsinvestitionen und Privatisierungsprojekten zu helfen, sagte Entwicklungshilfeminister Costis Hatzidakis ohne nähere Angaben zu machen.

Die EIB hatte lange gezögert, sich stärker in dem vor dem Bankrott stehenden Land zu engagieren und zuletzt ihre Finanzierungshilfen in Griechenland nahezu versiegen lassen. Laut Stournaras stellte sie im laufenden Jahr lediglich zehn Millionen Euro zur Verfügung. "Die EIB wird ihr Engagement in Griechenland so schnell wie möglich reaktivieren", versicherte der Finanzminister. Dazu war die EIB nicht nur von Griechenland selbst sondern auch von der EU gedrängt worden. Da griechische Banken am Tropf der EZB hängen, sind sie bei der Vergabe von Krediten an einheimische Unternehmen mehr als zurückhaltend und belasten somit die Konjunktur noch stärker.

Griechenland muss seine am Boden liegende Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Das Land befindet sich das fünfte Jahr in Folge in einer Rezession. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 6,9 Prozent.

Scheidender IWF-Ökonom übt vernichtende Kritik an Währungsfonds  

Ein scheidender Ökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat in seinem Kündigungsschreiben ein vernichtendes Urteil über die internationale Finanzinstitution gefällt. Der IWF habe in der Eurokrise vollständig versagt, als Folge drohe dem Euro nun der Kollaps, schreibt Peter Doyle in einem Brief an den IWF-Exekutivrat, den der US-Nachrichtensender CNN am Freitag veröffentlichte. "Nach zwanzig Jahren im Dienst (des IWF) schäme ich mich, überhaupt irgendeine Verbindung mit dem Fonds gehabt zu haben."

Anzeichen für die aufziehende Eurokrise seien von den Experten des Währungsfonds frühzeitig erkannt, diese Erkenntnisse seien aber "unterdrückt" worden, schreibt Doyle in dem auf den 18. Juni datierten Brief. Dass der IWF nicht gehandelt und die Warnungen vor der herannahenden Krise nicht publik gemacht habe, sei ein "beispielloses Versagen". Darunter müssten nun Staaten wie Griechenland leiden, außerdem drohe der Euro zu kollabieren. Bei seinen "verzweifelten Versuchen", den Euro noch zu retten, sei der IWF in den vergangenen zwei Jahren den Entwicklungen nur noch "hinterhergelaufen".

Doyle kritisierte auch eine zu starke Ausrichtung des Währungsfonds auf Europa, und insbesondere die Abmachung zwischen den USA und Europa, dass an der Spitze des IWF stets ein Europäer steht, an der Spitze der Weltbank dagegen ein US-Vertreter. Die Ernennungen der IWF-Chefs seien "im vergangenen Jahrzehnt ganz eindeutig katastrophal" gewesen. Ohne die derzeitige Chefin des IWF, die Französin Christine Lagarde, beim Namen zu nennen, schreibt Doyle, die Amtsinhaberin könne auch mit "ihrer Integrität und ihrem Elan" den "grundsätzlich illegitimem" Auswahlprozess nicht wettmachen.

Doyle war als Abteilungsleiter beim Währungsfonds zuständig für Israel und die Nicht-Euro-Staaten Schweden und Dänemark und hatte damit in seiner Arbeit keinen direkten Bezug zu Eurokrisen-Staaten. Ein IWF-Sprecher sagte, die "Bemerkungen" Doyles seien "wohlbekannt". Er wies zudem Doyles Vorwurf zurück, Warnungen vor der Eurokrise seien im IWF zurückgehalten worden. "Wir haben keine Hinweise dafür, dass seine (Doyles) Ansichten unterdrückt wurden, oder dass überhaupt Ansichten unterdrückt wurden." (dapd/afp/rtr)