Madrid/Frankfurt/Main. Der spanische Ministerpräsident Rajoy hält es für richtig, dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen überschuldeter Eurostaaten kauft. Davon will er auch Bundeskanzlerin Merkel überzeugen. Die Entscheidung über den Ankauf von Staatsanleihen ist wohl eine der wichtigsten Entscheidungen der EZB.

Bundeskanzlerin Angela Merkel reist am Donnerstag zum spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy nach Madrid. Rajoy erklärte, er wolle für eine Zustimmung Deutschlands zu einem Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) werben. Das soll die Zinsen senken. "Es ist jetzt besonders wichtig, dass sich die ganzen Unsicherheiten um den Euro auflösen und wir uns wieder zu vernünftigeren Zinsen finanzieren können", sagte Rajoy der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagausgabe).

Rajoy sagte über die hohen Zinsen für spanische Staatsanleihen: "Die Risikoaufschläge sind nicht das Ergebnis der Fundamente der spanischen Wirtschaft, sondern der Zweifel am Euro. Deshalb beharre ich so sehr auf einer raschen Lösung." Spanien glaubt, die Zinsen seien mit etwa 6,8 Prozent um zwei Prozentpunkte zu hoch. Dies behindere die Erholung der Wirtschaft.

EZB entscheidet über Kauf von Anleihen angeschlagener Eurostaaten

Über Ankäufe von Staatsanleihen will die EZB ebenfalls am Donnerstag in Frankfurt/Main entscheiden. Es ist die wohl am weitesten reichende Entscheidung ihrer Geschichte. Es geht bei dem Treffen des Rats der EZB vor allem um die genauen Bedingungen, zu denen die Notenbank Staatspapiere erwerben darf. Zuletzt sickerte durch, dass sich die Käufe auf Anleihen mit bis zu drei Jahren Laufzeit beschränken dürften. Voraussetzung für ein Eingreifen soll EZB-Präsident Mario Draghi zufolge ein Antrag des betreffenden Staates auf Hilfe des Euro-Rettungsfonds sein. Damit gehen Auflagen einher, denen sich die Länder nur ungern unterwerfen.

Draghi hatte im vergangenen Monat die entsprechenden Käufe angekündigt, aber auch eingeräumt, dass sich Bundesbankpräsident Jens Weidmann dagegen gesperrt hatte. Kritikpunkt ist, dass die EZB mit dem Aufkauf von Staatsanleihen indirekt ihre Mitgliedsländer finanziert, was ursprünglich nicht vorgesehen war. Die Gegner der Käufe sehen die Unabhängigkeit der Notenbank bedroht, bangen um die Geldwertstabilität und fürchten Inflation.

Kritik an geplanten Kauf von Anleihen

Der Unions-Finanzexperte und Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, warnt dagegen vor den Folgen eines weiteren Ankaufs von Anleihen überschuldeter Eurostaaten durch die Europäische Zentralbank. Im Vorfeld der Sitzung des EZB-Rates erklärte Michelbach: "Mit den Anleihen maroder Eurostaaten kauft die EZB die potenzielle Inflation der Zukunft ein." Die Sicherung der Geldwertstabilität als zentrale Aufgabe der EZB trete immer stärker in den Hintergrund. Die Zentralbank würde mit Ankäufen von Staatsanleihen "immer stärker Staatsfinanzierung durch die Hintertür" betreiben, warnte Michelbach.

Die EZB dürfe aber nicht zur "Bad Bank" der Schuldenstaaten werden. "Die Weigerung der EZB, ihre Bücher zu öffnen und Einblick in die angehäuften Risiken zu geben, spricht Bände", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete. "Offenbar hat die EZB ein Risikoszenario zusammengekauft, das sie selbst nicht mehr überschaut oder dessen Ausmaß sie auch Angst vor der öffentlichen Reaktion lieber geheim halten will."

Auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat sich gegen den Ankauf von Staatsanleihen angeschlagener Eurostaaten ausgesprochen. Mit einem solchen Schritt würde die EZB "falsche Signale" setzen, sagte Hüther. "Die EZB würde sich mit der Finanzpolitik verbünden, und das würde der Autonomie der Zentralbank widersprechen. Hüther hält einen Aufkauf von Staatsanleihen nur für gerechtfertigt, "wenn dadurch Störungen im Finanzsystem beseitigt würden". Er sehe jedoch keine Störungen.

Deutsch-spanisches Unternehmertreffen in Madrid

Parallel zu dem Politiker-Treffen zwischen Merkel und Rajoy in Madrid will Wirtschaftsminister Luis de Guindos ein deutsch-spanisches Unternehmertreffen eröffnen. Das Land wirbt um deutsche Investoren aus der Industrie, um wieder Wirtschaftswachstum zu erzielen. Erwartet wird unter anderem der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel. Spaniens Regierung befürchtet 2012 ein Schrumpfen seiner Wirtschaft um 1,5 Prozent, was die Steuereinnahmen drücken könnte. Damit könnte das Staatsdefizit trotz erheblicher Kürzungen und Steuererhöhungen nur von 8,9 Prozent 2011 auf 6,3 Prozent der Wirtschaftsleistung 2012 sinken.

Rajoy verband ein Bekenntnis zum Sparkurs und den Reformen mit einer Bitte um Flexibilität der europäischen Partner bei der Finanzpolitik. "Die Risikoaufschläge und die Zinsdifferenzen machen unsere Anstrengungen zunichte", sagte er. "Es ist wichtig im Leben, Prinzipien zu haben. Aber manchmal ist es auch gut, flexibel zu sein." Er versicherte, dass er die deutschen Bedenken verstehe. Es gehe aber vordringlich darum, den Euro als Kernstück der Union zu stabilisieren. (dapd)