Hamburg. Wer glaubt, ein Schokoladenkeks besteht aus Schokolade, der irrt sich gewaltig. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine Liste mit Lebensmittelimitaten veröffentlicht, bei deren Anblick den Verbrauchern der Keks im Halse stecken bleibt. Genau wie der Käse, die Garnele oder das Eis.

Nur weil die französische Firma Delacre ihn als Schoko-Keks anpreist, seine Füllung wie Schokolade aussieht und er vielleicht sogar so schmeckt, sind das keine Indizien dafür, dass auch wirklich Schokolade im Gebäck ist. „Die Kakaocremefüllung besteht aus einem billigen Schokoladenimitat, das aus wenig fettarmen Kakaopulver und viel Zucker und gehärtetem Pflanzenfett hergestellt wird“, klärt Armin Valet, Ernährungsberater und Lebensmittelchemiker bei der Verbraucherzentrale in Hamburg, auf.

Auf der Liste der Verbraucherzentrale finden sich neben Garnelen, die aus gepresstem Fischeiweiß bestehen, auch Käse, der nur zu 65 Prozent aus Käse besteht und Vanilleeis, das überwiegend synthetisches Vanillin und Kokosfett aufweist. In einem Pesto, das mit Zutaten wie Olivenöl, Pinienkernen und Parmesan wirbt, fanden die Experten hauptsächlich Sonnenblumenöl, Cashewkernpulver und günstigen Hartkäse.

Algenkonzentrat statt japanischem Meerrettich

Elf Produkte hat die Verbrauchzentrale stichprobenartig im Supermarkt eingekauft und untersucht. Das Ergebnis ist erschreckend: „Die Verbraucher werden an der Nase herumgeführt“, beschwert sich Valet. Ihnen werde mehr Qualität vorgegaukelt, als die Produkten tatsächlich hätten. Daher haben die Verbraucherschützer ihrer Liste mit Lebensmittelimitaten den passenden Titel „Mehr Schein als Sein“ gegeben.

Wer sich auf Erdnüsse mit Wasabi-Geschmack freut, bekommt einen Geschmack, der aus Algenkonzentrat, Geschmacksverstärker und Farbstoff besteht. Vom japanischen Meerrettich fehlt jede Spur. „Wir haben festgestellt, dass solche Täuschungen der Verbraucher nicht nur bei Billigprodukten vorkommen. Auch renommierte Hersteller wie Lorenz Bahlsen Snack-World greifen zu diesen Mitteln“, sagt Valet. Eine „Geiz-ist-Geil“-Mentalität der Kunden sieht er jedoch nicht als Grund für die Täuschungen der Industrie. Im Gegenteil: Umfragen hätten gezeigt, dass die Menschen für Qualität gerne mehr Geld ausgeben würden. „Nicht alle Kunden kaufen billig“, sagt Valet.

In der Realität liest beim Einkauf kaum jemand das Kleingedruckte

Dennoch würden die Hersteller den Rahmen des Lebensmittelrechtes voll ausreizen und alle Möglichkeiten des Marketings nutzen, um die Verbraucher mit Werbe-Slogans, Bildern und aufwendigen Aufmachungen zu täuschen. Verboten ist das jedoch nicht. „Viele Produkte sind durchaus legal“, räumt Armin Valet ein. Wenn der Hersteller „Du Darfst“ seinem als Putensalat deklarierten Produkt Formfleisch beimischt, verstößt er nicht gegen Gesetze oder Auflagen.

Fällt der Verbraucherschutzzentrale eine falsche Kennzeichnung auf, wird die Firma abgemahnt. „Wir wollen die Verbraucher aufmerksam machen und sensibilisieren. Daher nennen wir bewusst die Namen der Produkte und Hersteller“, erklärt Armin Valet. Denn nur wenige Verbraucher würden beim Einkauf im Supermarkt jegliches Kleingedruckte lesen: „Das wird zwar im Rechtsspruch erwartet, aber jeder weiß: Die Realität sieht anders aus.“

Die Reaktion der Firmen auf eine Abmahnung sei stets die gleiche, erzählt Valet. „Wir kennzeichnen nach Lebensmittelrecht“, sei die Standard-Antwort. Das reicht den Verbraucherschützern aber nicht. „Wir fordern, dass der Rahmen im Verbraucherrecht enger gezogen wird und Verstöße mit Ross und Reiter veröffentlicht werden.“

Verbraucher haben das Recht, zu wissen, was sie essen

Auch in der Gastronomie sieht Valet Handlungsbedarf. In Zeiten von Analogkäse und Schinkenimitaten müsste der Verbraucher auch wissen, was in den Restaurantküchen vor sich geht und was später auf seinem Teller landet. Eine transparente Lebensmittelüberwachung, das fordern die Verbraucherschützer. Sie sehen die Politik in der Pflicht. Vom Verbraucherschutzministerium erwartet er ein neues Verbraucher-Informations-Gesetz, das nicht mehr so viele Lücken aufweist wie das aktuelle. Das sei es auch, was die Verbraucher wollen, ist Valet überzeugt. Fast täglich würden Hinweise von Verbrauchern eingehen, die auf Lebensmittelimitate aufmerksam geworden sind. „Das zeigt uns, dass wir mit unseren Kontrollen auf dem richtigen Weg sind. Daher werden wir auch weiter machen“, kündigt der Verbraucherschützer an.

Die komplette Liste der Verbraucherzentrale Hamburg finden Sie hier.