Berlin. Einige Nahrungsmittelhersteller reagieren auf Kritik der Verbraucherschützer, die Lebensmittel-Imitate anprangern. Sie verändern ihre Rezepturen oder Verpackungsaufschriften. Der Discounter Lidl zum Beispiel ändert die Bezeichnung eines "Truthahnfilets", das aus zerkleinertem Fleisch besteht
Nach Kritik von Verbraucherschützern an Lebensmittel-Plagiaten ändern mehrere Anbieter Rezepturen oder Verpackungsaufschriften. Der Lebensmittelkonzern Unilever kündigte am Freitag an, in einem kalorienreduzierten Putensalat kein Formfleisch, sondern nur noch gewachsene Stücke zu benutzen. «Die neue Rezeptur wird ab Mitte August in den Handel kommen», sagte Sprecherin Katja Praeske der AP. Die Änderungen seien schon lange geplant gewesen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte bemängelt, dass der Salat auch zusammengefügte, mechanisch behandelte Fleischstücke und nur zum Teil gewachsenes Putenfleisch enthalte.
Der Hersteller Biscuits Delacre erklärte, auf der Packung eines Keksprodukts die als irreführend bemängelte Bezeichnung «Schoko» zu streichen. «Wir werden jetzt Kakao schreiben», sagte Firmensprecherin Anja Schmeling. Die neuen Packungen würden in den nächsten zwei bis drei Wochen gedruckt. Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte kritisiert, dass die Kekse nur ein Schokoladenimitat enthielten.
Der Discounter Lidl will die Bezeichnung eines Truthahn-Brustfilets ändern: In etwa zwei Monaten komme das Produkt unter der Bezeichnung Truthahnbrust ohne den Hinweis «Filet» in die Filialen, sagte Sprecherin Simone Hartmann. Filet suggeriert Verbraucherschützern zufolge ein gewachsenes Stück Fleisch. Das Lidl-Produkt enthalte aber zerkleinertes und wieder zusammengefügtes Truthahnfleisch.
Bekehrte sollen keine Einzelfälle bleiben
«Die Reaktionen der Anbieter sind ein erster Schritt in die richtige Richtung», kommentierte Ernährungsexperte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Damit sie nicht nur Einzelfälle blieben, seien aber Gesetzesänderungen nötig. Errnährungsministerin Ilse Aigner (CSU) müsse zum Beispiel dafür sorgen, dass die Firmen nur noch das auf den Packungen abbilden dürften, was diese auch enthielten.
Auch bei Milch ist die Packungsaufschrift oft irreführund: Trotz einer Selbstverpflichtung der Industrie zur eindeutigen Kennzeichnung ist Frischmilch von länger haltbarer Milch noch immer nur in den wenigsten Fällen unterscheidbar. Eine am Freitag in Berlin vorgestellte Untersuchung der Verbraucherzentralen ergab, dass nur ein Drittel der sogenannten ESL-Milch als «länger haltbar» gekennzeichnet ist. Die Untersuchung ergab auch, dass Frischmilch in vielen Geschäften überhaupt nicht mehr angeboten wird. Verbraucherschützer fordern daher eine gesetzliche Regelung.
«Die Milchwirtschaft hat ihr Versprechen nicht gehalten und führt die Verbraucher weiter an der Nase herum», sagte der Vorstand des Verbraucherzentralen Bundesverbandes, Gerd Billen. Er forderte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner auf, die Industrie mit gesetzlichen Vorgaben dazu zu zwingen, Frischmilch und ESL-Milch auf einen Blick unterscheidbar zu machen. Die Selbstverpflichtung war Anfang Februar zwischen Verbraucherministerium, Milchindustrie und Einzelhandel vereinbart worden.
ESL-Milch (extended shelf live - längeres Leben im Regal) ist zwischen der frischen (pasteurisierten) und der H-Milch (ultrahoch erhitzt) einzuordnen. Durch Erhitzen oder Mikrofiltrieren und Pasteurisieren ist sie dreimal so lang haltbar wie frische Milch, also circa drei Wochen. Durch das Erhitzen gehen Vitamine verloren. Teilweise ändert sich auch der Geschmack. (AP)