Essen. . Der Traditions-Versandhändler Neckermann ist pleite. Dem Eigentümer, dem US-Finanzinvestor Sun Capital geht der Umbau des Unternehmens nicht weit genug und dreht ihm den Geldhahn zu. 2400 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe.
Nach einem wochenlangen Arbeitskampf mit Sitzblockaden und Streiks hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser Woche auf einen Sanierungsplan für den Versandhändler Neckermann geeinigt. Doch der Gesellschafter, der US-Finanzinvestor Sun Capital, dreht dem Unternehmen den Geldhahn zu. Neckermann blieb nur der Gang zum Insolvenzrichter.
Der Kampf ums Überleben hatte Ende April begonnen, als Neckermann ankündigte, sich vom traditionsreichen Kataloggeschäft zu trennen und 1380 der rund 2400 Stellen abzubauen. Neben Quelle und Otto war Neckermann das Symbol des Wirtschaftswunders nach dem Krieg. Von Jahr zu Jahr wurde der Katalog dicker und bot am Ende längst nicht mehr nur Kleidung an.
Das Internet indes manövrierte den Katalog immer weiter ins Abseits. Dabei hatte sich Neckermann schon früh auf das neue Zeitalter eingestellt und 1995 einen Online-Shop gegründet. Nach eigenen Angaben erwirtschaftet der Frankfurter Konzern inzwischen fast 80 Prozent seines Umsatzes über das Netz.
80 Prozent Umsatz übers Internet
Am 27. April hatte Neckermann den Plan für die Restrukturierung auf den Tisch gelegt. Größter Streitpunkt mit der Gewerkschaft Verdi war der geplante massive Arbeitsplatzabbau im Zuge der Aufgabe des kostspieligen Kataloggeschäfts. Statt der eigenen Textilmarken wollte Neckermann Markenware ins Sortiment nehmen, so dass die eigene Logistik-Tochter in Frankfurt mit knapp 900 Mitarbeitern überflüssig geworden wäre.
Nach zähen Verhandlungen hatten sich Unternehmen, Betriebsrat und Geschäftspartner auf einen Radikalumbau von Neckermann verständigt. Doch der Finanzinvestor Sun Capital, seit 2008 Mehrheitsgesellschafter, senkte überraschend den Daumen. Weil er das ausgehandelte Konzept für nicht tragfähig halte, zog er seine Finanzierungszusage von 25 Millionen Euro für Juli zurück.
2400 Arbeitsplätze in Gefahr
Neckermann droht nun die Zahlungsunfähigkeit, 2400 Arbeitsplätze sind in Gefahr. In einer Erklärung des Unternehmens heißt es: „Die Geschäftsführung wird alles daran setzen, das laufende Geschäft auch im vorläufigen Insolvenzverfahren aufrechtzuerhalten und alle Möglichkeiten prüfen, die sich zur Fortführung des Geschäfts ergeben.“
Experten schätzen die Überlebenschancen für den Traditions-Versandhändler als gut ein. „Neckermann ist auf dem richtigen Weg, sich konsequent zu einem Online-Händler zu entwickeln“, sagte Manfred Hunkemöller vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) dieser Zeitung. Nach IFH-Berechnungen wuchs der Online-Umsatz von Neckermann im ersten Quartal 2012 um satte 30 Prozent und habe damit deutlich über dem Branchenschnitt gelegen. Bei der Kundenbindung schneide Neckermann gut ab: Der Versandhändler lande hinter Amazon, Lidl, Tchibo und Otto auf Platz 5 und hänge etwa Kaufhof, Real oder Karstadt deutlich ab.
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte das Ausscheren des Neckermann-Eigentümers scharf: Er sei sehr enttäuscht, sagte Verhandlungsführer Wolfgang Thurner. Zudem steige Wut in ihm auf, „weil man sich Mühe gemacht hat, wochenlang einen Kompromiss zu finden, und dann ist man auf der Zielgeraden und wird durch so ein Foul gestoppt.“