Karlsruhe. . Ärzte, die Provisionen von Pharmafirmen annehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar. Umgekehrt machen sich Pharmareferenten, die Gelder anbieten, nicht der Bestechung schuldig. Das entschied der Bundesgerichtshof.

Kassenärzte machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar, wenn sie von einem Pharmaunternehmen Geld dafür annehmen, dass sie dessen Medikamente verschreiben. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil, das am Freitag in Karlsruhe veröffentlicht wurde. Auch die Unterhändler der Pharmafirmen können nicht wegen Bestechung bestraft werden. Ärzte- und Pharmavertreter lobten die Entscheidung. Die Krankenkassen warnten davor, das Urteil als "Freifahrtschein" zu verstehen.

Im Urteil heißt es, Ärzte handelten bei der Verordnung von Medikamenten nicht als Amtsträger oder Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen. Ein Gericht könne nur das geltende Strafrecht auslegen. Es sei Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob er "Korruption im Gesundheitswesen" für strafwürdig hält und deshalb neue Straftatbestände schaffen will.

Dem Urteil lag der Fall einer Pharmareferentin zugrunde, die Ärzten Schecks in einem Gesamtwert von 18.000 Euro übergab. Das Geld wurde nach einem Prämiensystem verteilt. Die Mediziner erhielten fünf Prozent des Herstellerpreises, wenn sie die Medikamente des Pharmaunternehmens verordneten.

Die Pharmareferentin wurde zunächst vom Landgericht Hamburg wegen Bestechung zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf ihre Revision legte der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat die Rechtsfrage dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vor.

Zustimmung von Ärzten und Pharmavertretern

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, begrüßte die Entscheidung. Der Bundesgerichtshof betone zu Recht, dass der freiberuflich tätige Kassenarzt weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde sei. Erst jüngst habe der Deutsche Ärztetag in Nürnberg vehement auf die Gefahren hingewiesen, die mit "einer Degradierung von Ärzten zu Erfüllungsgehilfen und Beauftragten der Krankenkassen" verbunden wären. Ähnlich äußerten sich die Kassenärztliche und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.

Zustimmung kam auch aus der Pharmabranche: "Die heutige Entscheidung hat die unabhängige Stellung des niedergelassenen Arztes im Gesundheitssystem gestärkt und schützt so langfristig auch das Vertrauen der Patienten", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen, Birgit Fischer. Ärzte könnten sich weiter als "Angehörige eines freien Berufs" sehen.

Die Krankenkassen betonten dagegen, das Urteil sei kein "Freifahrtschein" für die Ärzte und Pharmareferenten. Viel eher handele es sich um einen "klaren Auftrag an den Gesetzgeber, die in diesem Rechtsstreit sichtbar gewordenen Lücken im Strafrecht zu schließen", sagte das Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer. (dapd)