Dortmund. . Im deutschen Gesundheitswesen werden massenhaft Schmiergelder für die Zuweisung von Patienten bezahlt. Ärzte kassieren diese Prämien für Überweisungen an bestimmte Kliniken. Ein Kassen-Vertreter geißelt dies als „Skandal“, auch Politiker sind auf dem Baum und sprechen von „Mafia-Methoden“.
Im deutschen Gesundheitswesen werden massenhaft Schmiergelder für die Zuweisung von Patienten bezahlt. Sogenannte Fangprämien sind keine Ausnahme, sondern gängige Praxis, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie im Auftrag des Kassen-Spitzenverbandes (GKV) hervorgeht. Die gesetzlichen Kassen sehen ein „erhebliches Korruptionspotenzial“, Politiker sprechen von „Mafia-Verhältnissen“.
Für die Studie hatte die Uni Halle-Wittenberg 1141 niedergelassene Ärzte, leitende Angestellte von stationäre Einrichtungen und nichtärztliche Leistungserbringer wie Optiker oder Hörgeräteakustiker befragt. Demnach halten es 14 Prozent der Ärzte und knapp ein Viertel der stationären Einrichtungen (24%) für eine übliche Praxis, dass Patienten gegen Prämien oder Sachleistungen zu bestimmten Medizinern, Kliniken oder auch Physiotherapeuten überwiesen werden. Bei nichtärztlichen Leistungserbringern sehen dies fast die Hälfte (46 Prozent) so.
Für GKV-Vorstand Gernot Kiefer ein „Skandal“
GKV-Vorstand Gernot Kiefer sprach von einem „Skandal“. Hochgerechnet würden damit heute mehr als 27.000 niedergelassene Vertragsärzte gegen das Berufsrecht verstoßen.
„Prämienjägern das Handwerk legen“
Eugen Brysch, Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung: „Dass niedergelassene Ärzte von Krankenhäusern Prämien für die Einweisung von Patienten erhalten, ist ein unfassbarer Skandal.“
„Leidtragender ist der Patient, der gar nicht mehr gesund werden kann und immer wieder zwischen den Leistungserbringern hin und her geschoben wird“. Den „Prämienjägern“ müsse „das Handwerk gelegt werden“.
CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn nannte jeden einzelnen Fall „völlig inakzeptabel“. Bei „Fangprämien“ gehe es nicht um das Wohl der Patienten, sondern ums Portemonnaie der Ärzte. Karl Lauterbach (SPD) sprach von „Mafia-Verhältnissen“. Die SPD habe im Bundestags-Gesundheitsausschuss einen Antrag eingebracht, dass niedergelassene Ärzte strafrechtlich wegen Bestechlichkeit belangt werden könnten.
Kliniken und Ärzteverbände wiesen die Vorwürfe zurück. So betonte ein Sprecher des Klinikums Dortmund, dass es „bei uns so etwas aus ethischen Gründen nicht gibt“. Auch die große Helios-Privatklinikkette schließt Schmiergeldzahlungen für sich aus. Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sagten, sie könnten sich die Zahlung oder den Erhalt von Kopfprämien für ihre Mitglieder kaum vorstellen.
"In meiner Klinik gibt es garantiert nicht"
Thomas Kalhof, der Sprecher der katholischen Contilia Gruppe, die u.a. das Elisabeth-Krankenhaus in Essen führt, betont: „Die vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt ist die wahrscheinlich wichtigste Voraussetzung für die optimale Betreuung der gemeinsamen Patienten. Deshalb legen wir größten Wert auf eine enge Kooperation. Bei der Wahl für die richtigen Klinik muss sich jeder Patient aber darauf verlassen können, dass diese Entscheidung ausschließlich zu seinem Besten getroffen wird. Darum zahlen wir für die Einweisung von Patienten keine Prämien.“ Auch Michael Boos, Geschäftsführer des St. Clemens Hospitals in Dinslaken, versichert: „Wir lehnen jede Form von Einweisungsprämien ab. Wir suchen Kooperation auf Augenhöhe. Medizinisch vernünftig.“
Wim Eckhorn, Geschäftsführer der Hörsysteme Wessling in Essen, bezweifelt ebenfalls, dass es solche Zahlungen heute noch gibt. „Nein, das ist klar geregelt. Wir hatten wohl so etwas von Berufskollegen in Bayern gehört, da war auch von Forderungen von Ärzten die Rede. Das ging ja damals auch durch die Presse. Aber heute ist mir da kein Fall bekannt.“
Für undenkbar hält Dr. Dirk Schröder, der ärztliche Direktor des St. Vinzenz-Hospitals in Dinslaken, solche Zahlungen zwar nicht. „Das wird ja immer mal wieder thematisiert. Aber es werden nie Namen genannt. Ich kann nur sagen: In meiner Klinik gibt es garantiert nicht. Und das gilt mit Sicherheit auch für meine Kollegen im Haus.“