Dortmund. . Schmiergelder sind im deutschen Gesundheitswesen keine Ausnahme, sondern gängige Praxis. Wie eine Befragung im Auftrag des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen ergab, entschieden statt medizinischer Argumente offenbar oft Prämiengelder oder Sachleistungen, zu welchem Arzt oder zu welcher Klinik Patienten überwiesen werden.

Schmiergelder sind im deutschen Gesundheitswesen keine Ausnahme, sondern gängige Praxis. Wie eine Befragung im Auftrag des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen ergab, entschieden statt medizinischer Argumente offenbar oft Prämiengelder oder Sachleistungen, zu welchem Arzt oder zu welcher Klinik Patienten überwiesen werden.

Um was für eine Studie handelt es sich?
Der GKV-Spitzenverband, der Dachverband aller 145 gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, hat die Universität Halle-Wittenberg damit beauftragt, herauszufinden, wie viele Leistungserbringer im deutschen Gesundheitssystem sich für eine gezielte Zuweisung von Patienten bezahlen lassen und sich damit nicht an die Vorgaben von Berufs- und Sozialrecht halten. Der verantwortliche Professor Kai Bussmann befragte niedergelassene Ärzte, leitende Mitarbeiter von stationären Einrichtungen und nicht-ärztliche Leistungserbringer. Insgesamt 1141 Interviewpartner äußerten sich.

Was ergab die Umfrage?

Erschreckendes. Nahezu jede vierte Klinik (24 Prozent) zahlt sogenannte Fangprämien für Patienten, heißt es in dem Bericht. Fast die Hälfte (46 Prozent) der nichtärztlichen Leistungserbringer wie Sanitätshäuser, Hörgeräte-Akustiker oder Orthopädie Schumacher gaben zu, schon Vorteile wie Geld, Kostenübernahme von Tagungen oder Sachleistungen erhalten zu haben. Zudem kennt oder interessiert sich etwa jeder fünfte Leistungserbringer nicht für die jeweiligen berufs- und sozialrechtlichen Vorgaben, die Zuweisungen gegen Entgelt eindeutig verbieten.

Was sagten die Befragten noch?

Zuweisungen von Patienten gegen wirtschaftliche Vorteile sind üblich, sagten 14 Prozent der befragten niedergelassenen Ärzte und 35 Prozent stimmten dem zumindest teilweise zu. 20 Prozent von ihnen meinten, ein solches Vorgehen komme gegenüber anderen Ärzten oder Hilfsmittelerbringern häufig vor.

Wer zahlt, wer nimmt?

In erster Linie zahlen demnach die Kliniken. Niedergelassene Ärzte und stationäre Einrichtungen treten nach Einschätzung der Branche sowohl als Geber als auch als Nehmer auf. Nicht-ärztliche Leistungserbringer hingegen nur als Geber. Als Anreize werden sowohl Geld aber auch Sachleistungen wie Tagungskosten oder Geräte angeboten beziehungsweise angenommen, urteilten die Befragten. Bei niedergelassenen Ärzten und stationären Einrichtungen kämen auch Vereinbarungen über die postoperative Behandlung vor. Branchenkenner berichten, dass bei den Kliniken vor allem die privat geführten Häuser mit sogenannten Kriegskassen arbeiten, aus denen sie zuweisende Ärzte belohnen.

Wie viel wird gezahlt?

Dazu gibt es keine konkreten Angaben. Vertraulich berichten Mediziner aber: Es beginnt bei 50 Euro, nach oben gibt es keine Grenzen. Die Zahlungen orientieren sich an den Kosten der Behandlung oder an der Menge der überwiesenen Patienten.

Welcher Schaden entsteht?

Drei Viertel der nicht-ärztlichen Leistungserbringer gaben an, dass ihnen durch die wettbewerbswidrige Praxis in den zurückliegenden zwei Jahren ein finanzieller Schaden beispielsweise durch Umsatzeinbußen entstanden ist. 32 Prozent berichteten über mittelschwere und 15 Prozent sogar über gravierende wirtschaftliche Nachteile. Vor allem Hörgeräteakustiker, Orthopädieschuhmacher und Sanitätshäuser seien hiernach überdurchschnittlich stark betroffen. Die Kliniken profitieren eher von den gezahlten Prämien.

Entsteht dem Patienten ein Schaden?

Möglich. Denn die am besten zahlende Klinik ist selbstverständlich nicht immer auch die beste Klinik für die individuellen Leiden des Patienten.