Essen. . Handel und Trödelmarktbetreiber verstärken den Druck auf die NRW-Koalitionsverhandlungen. Der Einzelhandel fordert, dass sonntags weniger Neuwaren verkauft werden dürfen. Die Marktgestalter fragen: „Will Rot-Grün den Bürgern ihr liebstes Sonntagsvergnügen nehmen?“
Der Plan der NRW-Landesregierung, Trödelmärkte mit Neuwaren an Sonntagen einzuschränken, ruft Protest beim Verband deutscher Marktgestalter hervor (VDM). Ihr Sprecher Norbert Hermanns wirft mitten in den Koalitionsverhandlungen die provokative Frage auf: „Nimmt Rot-Grün den Bürgern ihr liebstes Sonntagsvergnügen?“
Politiker von SPD und Grünen hatten signalisiert, die Forderung des Einzelhandelsverbands Ruhr aufzunehmen, dem sich inzwischen auch der Handelsverband für ganz NRW angeschlossen hat: Der wachsende Neuwarenverkauf auf sonntäglichen Trödelmärkten soll eingeschränkt werden. Sollte es zu dieser Limitierung kommen, sehen die Marktgestalter den Trödel in seiner Existenz bedroht, weil Neuwarenhändler dann gar nicht mehr nach NRW kämen. „Die kommerziellen Händler sind die zuverlässigsten. Und die Veranstalter müssen eine Mindestanzahl von Gewerbetreibenden nachweisen, um überhaupt die Genehmigung für einen Trödelmarkt zu bekommen“, sagt Hermanns.
Auch interessant
Nach Angaben des VDM besuchen 35 Millionen Menschen ein- bis zweimal pro Jahr Trödelmärkte in NRW. 40 000 gewerbliche Händler lebten davon. Hinzu kämen „mehrere hunderttausend Privatleute“, die ihren Trödel verkaufen. Der Verband der Marktgestalter weist den Vorwurf zurück, Trödelmärkte jagten dem Einzelhandel Kunden ab. Jeder Besucher gebe im Schnitt nur sechs Euro für Waren aus. Hinzu kämen 3,50 Euro für Essen und Trinken. Hermanns: „Der Umsatz auf Trödelmärkten liegt weit unter 0,5 Prozent der Umsätze im Einzelhandel.“
Gewürze landen in Containern
Im Angebot der gewerblichen Händler seien vornehmlich Restposten. Hermanns nennt Beispiele: Warenhausketten räumen die letzten Exemplare eines Toasters aus den Regalen und schicken sie an den Hersteller zurück. Der bietet sie Aufkäufern an, die die Geräte auf Trödelmärkten verkaufen. Oder der Gewürzhersteller, der den Handel mit gefüllten Regalständern beliefert. Nach einer bestimmten Zeit bekommt der Supermarkt ein neues gefülltes Regal. Die restlichen Gewürzdosen wandern in einen Container und werden wiederum Aufkäufern zu einem günstigen Preis angeboten.
Sollte der Schnäppchen-Verkauf am Sonntag eingeschränkt werden, argumentieren die Marktgestalter, schnitten sich Einzelhändler ins eigene Fleisch. Nach Angaben von Hermanns seien auf den Trödelmärkten immer häufiger Gewerbetreibende anzutreffen, die mit den Umsätzen in ihren Läden nicht mehr zurecht kommen und sich mit dem Verkauf von Sonderposten ein Zubrot verdienen.
Kommunen verlieren Einnahmen
Marc André Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Ruhr für Essen, Mülheim und Oberhausen, der die Diskussion angestoßen hat, will nicht ausschließen, dass auch Einzelhändler auf Trödelmärkten verkaufen. „Das ist aber kein Massenphänomen“, sagte er dieser Zeitung. Er habe aber auch nichts dagegen einzuwenden. Der Einzelhandelsverband fordere lediglich, dass sich auch die fliegenden Händler an die Begrenzung von vier Verkaufssonntagen pro Jahr halten sollen. Trödelmärkte sind an zwölf Sonntagen möglich. Heistermann: „Rückläufer aus dem Handel oder Konkursware kann man auch in stationären Sonderposten-Märkten verkaufen. Die halten sich an die Spielregeln.“
Den Vorstoß aus Mülheim hat inzwischen auch der Handelsverband in NRW aufgegriffen und damit den Druck auf die Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf erhöht. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet. Denn auch Kommunen profitieren von Trödelmärkten, sofern sie auf öffentlichen Plätzen stattfinden. Die Städte rechnen mit sinkenden Einnahmen aus den Standgebühren, wenn der Neuwaren-Anteil auf Trödelmärkten etwa auf zehn Prozent begrenzt werden sollte. Der Meter Standfläche spielt im Schnitt immerhin 40 Euro ein.