Essen. Der Gläubigerausschuss beschließt die Abwicklung des insolventen Unternehmens, da keine wirtschaftliche Perspektive erkennbar sei. 13.200 Beschäftigte verlieren damit endgültig ihren Arbeitsplatz. Gleichzeitig entbrannte ein Streit, wer für die Schlecker-Pleite verantwortlich ist.

Das Aus für die insolvente Drogeriekette Schlecker ist besiegelt: Der Gläubigerausschuss habe keine Perspektive für eine wirtschaftlich vertretbare Fortführung oder die Veräußerung des Gesamtkonzerns an einen Investor mehr gesehen, hieß es nach der entscheidenden Sitzung des Gremiums am Freitag in Berlin.

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hatte den verbliebenen Interessenten zuvor ein Ultimatum gesetzt: Sie sollten bis Freitagmorgen ein belastbares und für die Gläubiger akzeptables Angebot einreichen. "Die Angebote waren nicht akzeptabel", sagte Geiwitz nach der Sitzung.

Daher habe das Gläubigergremium nun die Zerschlagung des Konzerns beschlossen. Eines der beiden zuletzt noch vorliegenden Angebote sei preislich nicht akzeptabel gewesen, sagte Geiwitz. Es lag demnach "deutlich unter einer Zerschlagung". Der US-deutsche Investor und Karstadt-Retter Nicolas Berggruen wiederum, der bereits die Kaufhaus-Kette Karstadt vor der Pleite gerettet hatte, zog sein Angebot "gestern Nacht" zurück, wie Geiwitz während einer Telefonkonferenz mit Journalisten sagte. Der Einstieg eines Investors galt als Grundvoraussetzung dafür, die schwer defizitäre Kette überhaupt weiterzuführen.

Kündigungen werden bis Ende Juni verschickt

Die Kündigungen an die 13.200 betroffenen Mitarbeiter von Schlecker Deutschland sollten bis Ende Juni verschickt werden. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi sind in NRW 2.500 Mitarbeiter in 564 Filialen betroffen. Schlecker starte nun zeitnah den Ausverkauf in seinen rund 2.800 deutschen Märkten.

Gleichzeitig sollen die Gespräche zu einem Verkauf der Auslandstöchter fortgeführt und zu einem schnellen Abschluss gebracht werden. Auch den Verkauf der Vermögenswerte, etwa der Logistikstandorte und der Unternehmensimmobilien, will Geiwitz den Angaben zufolge zügig abschließen.

Zukunft für Ihr Platz und Schlecker XL

Der Insolvenzverwalter betonte aber, für die Tochtergesellschaften Ihr Platz mit 490 Filialen und rund 3.990 Mitarbeitern sowie Schlecker XL mit 342 Filialen und 1.110 Mitarbeitern gebe es eine eigenständige Zukunft.

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Geiwitz erklärte weiterhin, er habe es zwar geschafft, den Verlust von Schlecker von über 200 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro zu reduzieren. "Das ist einerseits ein großer Erfolg, andererseits aber immer noch ein Verlust - und den darf ein Insolvenzverwalter auf Dauer nicht machen". Außerdem hätten die über 4400 Kündigungsschutzklagen den Investorenprozess enorm erschwert und im Endergebnis den Verkauf des Unternehmens als Ganzes unmöglich gemacht, beklagte der Insolvenzverwalter. Geiwitz hat bereits rund 10.000 Schlecker-Beschäftigte, überwiegend Frauen, vor die Tür gesetzt. "Mit einer Transfergesellschaft hätten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lösung gefunden."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte den Beschäftigten Hilfe bei der Arbeitssuche zu. "Wir werden über die Bundesagentur für Arbeit und natürlich vor allem über die regionalen Arbeitsämter sicherlich alles daran setzen, dass die Beschäftigen die Chance bekommen, schnell wieder eine Arbeit bekommen", sagte Merkel am Freitag in Berlin: "Ich glaube, es geht jetzt vor allem um die Menschen, insbesondere Frauen, die darauf hoffen, wieder eine Arbeit zu bekommen." Dabei sei im Augenblick sicherlich vieles möglich, sagte sie mit Blick auf den derzeitigen Arbeitsmarkt.

Die Kanzlerin ließ keine Bereitschaft zu einem anderweitigen Engagement der Bundesregierung für die Schlecker-Beschäftigten erkennen: "Wir müssen die Entscheidung zur Kenntnis nehmen, die die Gläubiger gefällt haben."

Verdi macht Politik verantwortlich

Die Gewerkschaft Verdi machte die Politik für die Pleite verantwortlich. Der rheinland-pfälzische Verdi-Landeschef Uwe Klemens erklärte, die Bundesregierung habe die berufliche Existenz von 25.000 Frauen auf dem Gewissen. "Mit ihrer Weigerung, für die erste Kündigungswelle Transfergesellschaften zu finanzieren, haben Rösler, Brüderle und Co. dafür gesorgt, dass Schlecker jetzt vollständig absäuft", kritisierte Klemens.

Auch der Betriebsrat sieht nun die Politik in der Pflicht. "Aus unserer Sicht braucht es mehr Zeit, um die Zukunft der Schlecker-Frauen zu sichern, hier muss die Politik endlich handeln", forderte die Schlecker-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Christel Hoffmann. Denkbar seien ein Sonderfonds und andere staatliche Hilfen. Die Politik müsse auch zu unkonventionellen Mittel greifen.

Verdi-Chef Frank Bsirske sagte, nach dem Scheitern einer Auffanggesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten im März könne sich die Politik jetzt nicht weiter vor ihrer Verantwortung drücken. "Die Bewältigung der Folgen der größten Insolvenz in der Geschichte der Bundesrepublik muss auf allen Ebenen zur Chefsache werden."

Rösler verteidigt Nein zu Staatshilfen

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bedauerte das Aus für Schlecker, verteidigte zugleich aber seine Ablehnung für Staatshilfen. "Grundsätzlich gilt in der sozialen Marktwirtschaft, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, Unternehmen zu retten", sagte der FDP-Politiker. "Dies wäre wettbewerbsverzerrend und würde an anderer Stelle viele Arbeitsplätze kosten", fügte Rösler hinzu.

Zugleich verwies er auf die robuste Konjunktur und die gute Lage auf dem Jobmarkt. "Erfreulich ist, dass der Arbeitsmarkt derzeit im Einzelhandel viele Chancen auf Weiterbeschäftigung bietet", sagte Rösler. Die Mitarbeiterinnen könnten sich dabei "auf das umfangreiche Hilfsangebot der Bundesagentur für Arbeit verlassen".

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle gab den Gewerkschaften eine Mitschuld für das Aus der insolventen Drogeriekette. Die Gewerkschaften hätten mit wiederholten Aufrufen zum Käuferstreik bei Schlecker dazu beigetragen, dass die Marktposition von Schlecker geschwächt worden sei, sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister. "Erst trommeln und dann Krokodilstränen über das Ergebnis vergießen, ist scheinheilig. Das hilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überhaupt nicht."

Ausverkauf beginnt

Laut Top-Managern des Unternehmens war die Pleite schon lange absehbar. "Wenn wir ehrlich sind, dann funktionierten wir ab Mitte der 90er Jahre wie ein Schneeballsystem. Es ging nur weiter, weil wir es ständig erweiterten", zitierte das "Handelsblatt" einen sogenannten Altdirektor, angeblich einen der engsten Vertrauten von Firmenpatriarch Anton Schlecker.

Jahrelang galt Schlecker als unangefochtener Branchenprimus. Der umstrittene Unternehmer Anton Schlecker aus Ehingen hatte als eiserner Alleinherrscher mit seinen blau-weißen AS-Filialen die Republik bis ins hinterste Örtchen zugepflastert – und offenbar viel zu spät gemerkt, dass eine große Marktdurchdringung allein als Konzept nicht mehr zukunftsfähig war.

Anton Schlecker wurschtelte in seinen winzigen Lädchen

Schlecker scheiterte auch an seinem zunehmend desolaten Image. Während die Konkurrenz wie dm und Rossmann kräftig in lichte und großzügige Geschäfte investierte, wurschtelte Anton Schlecker lange in seinen winzigen Lädchen mit den dichtgestellten Regalreihen und ihren einsamen Verkäuferinnen weiter vor sich hin. Die Kunden liefen in Scharen davon.

Zudem hatte sich Schlecker in jahrelanger Hartnäckigkeit den Ruf erworben, mit seinem Personal überaus rigide umzuspringen und Betriebsratsarbeit massiv zu behindern. Auch das ist an der Wahrnehmung der Kundschaft sicherlich nicht spurlos vorüber gegangen. (dapd/afp/rtr)