Oberhausen. Die Supermarktkette Netto wirbt mit ihren aktuellen Plakaten an den Türen von geschlossenen Schlecker-Filialen. “Niveaulos“ nennt Schlecker-Betriebsrätin Ingrid Wagner-Samek die Aktion. Nicht nur in Oberhausen, auch in anderen Bundesländern tauchten die Plakate auf.

Erst haben die Schlecker-Mitarbeiterinnen ihren Job verloren, jetzt wird auf ihrem Rücken auch noch Kasse gemacht – so empfindet es zumindest Verdi-Gewerkschaftssekretär Günter Wolf.

Als „Leichenfledderei“ bewertet er eine aktuelle Plakatwerbung der Supermarktkette Netto, die sich an ehemalige Kunden der Drogerien richtet. An den Türen von mehreren geschlossenen Filialen wirbt die Konkurrenz mit folgenden Worten: „Liebe Kunden, diese Schlecker-Filiale hat leider geschlossen. Sie können aber gleich nebenan in Ihrer Netto-Filiale weiterhin günstig einkaufen.“

„Wir waren geschockt“

„Ich finde das überhaupt nicht lustig“, sagt dazu der Gewerkschafter. Aus dem Umkreis der einstigen Schlecker-Mitarbeiterinnen machte man ihn auf diese Werbung aufmerksam. „Das grenzt an Leichenfledderei, zumal ja auch die eigenen Drogerieartikel beworben werden“, so Wolf. „Das sieht außerdem sehr professionell aus. Ich glaube nicht, dass ein Filialleiter im Alleingang dafür verantwortlich zeichnet“, so seine Vermutung. „Origineller wäre es gewesen, wenn man den betroffenen Frauen einen Arbeitsplatz anbieten würde und nicht einfach nur versucht, Kundschaft abzugreifen.“ So habe die Sache einen faden Beigeschmack.

Schlecker-Betriebsrätin Ingrid Wagner-Samek ist ebenfalls sauer über diese Aktion, nennt sie niveaulos. „Als wir das zum ersten Mal gesehen haben, waren wir richtig geschockt. Das wurde auch da angeschlagen, wo noch Ware drinnen ist.“ Das sei gerade vor dem Hintergrund, dass Netto eigentlich angekündigt hatte, ehemalige Mitarbeiter zu übernehmen, bedenklich. „Bisher ist niemand bei Netto in Oberhausen untergekommen“, so Wagner-Samek. „Wir haben zudem Hinweise, dass auch in anderen Bundesländern derart plakatiert wurde.“

Die Kritik an dieser Werbeaktion wollte Netto nicht kommentieren. „Wir sind bundesweit bereit, ehemalige Schleckermitarbeiter und auch Azubis zu übernehmen. In Oberhausen suchen wir aktuell auch“, erklärt Sprecherin Christina Stylianou. Man sei sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst.

20 weitere Job könnten wegfallen

Von einst mehr als 40 Filialen der Drogeriemarktkette Schlecker in Essen, Mülheim und Oberhausen sind heute nur noch vier übrig geblieben. Sollte eine Rettung der insolventen Drogeriekette fehlschlagen, droht rund 20 weiteren Beschäftigten vor Ort der Gang zum Arbeitsamt. Bisher verloren in Oberhausen 78 Beschäftigte, überwiegend Frauen, ihren Job. Der größte Teil hat noch keine neue Beschäftigung.

„Mir sind drei Frauen bekannt, die wieder in Arbeit sind“, sagt Schlecker-Betriebsrätin Ingrid Wagner-Samek. Diese schlechte Quote führt sie zum einen auf das relativ hohe Alter vieler ehemaliger Beschäftigter zurück, zum anderen spiele dabei die Entlohnung eine Rolle. „Bei Schlecker wurde nach Tarif bezahlt. Es wird sich niemand ein Bein für einen Job mit sechs bis sieben Euro Stundenlohn ausreißen.“

Günter Wolf, Verdi-Gewerkschaftssekretär, sieht bei der Suche nach Lösungen auch die Industrie in der Pflicht. „Viele Arbeitgeber sollten schätzen, dass die Schleckerfrauen selbstständig arbeiten und auch bei den Arbeitszeiten flexibel sind.“ Das läge daran, dass viele von ihnen die Drogerie-Filialen quasi im Alleingang geleitet hätten. „Außerdem sind sie gut geschult und haben auch in unübersichtlichen Situationen den Überblick“, plädiert Günter Wolf dafür, den Jobsuchenden eine Chance zu geben.