Washington. . Facebook unter Druck: Das Online-Netzwerk muss sich nach dem verpatzten Börsengang auf eine Klagewelle einstellen. Facebook soll noch vor Börsenstart ausgesuchte Anleger mit nach unten korrigierten Umsatz- und Gewinnzahlen versorgt haben. Die machten daraufhin einen Rückzieher.

Flitterwöchner sehen anders aus. Mit hängenden Mundwinkeln und gesenkten Köpfen liefen Mark Zuckerberg (28) und seine just angetraute Ehefrau Priscilla Chan (27) am Dienstag durch Rom. Kein Wunder. Der schief gelaufene Börsengang von Facebook hat allein den Gründer der Internetplattform bisher rund fünf Milliarden Dollar gekostet. Die beim Start am 18. Mai mit 38 Dollar bewertete Aktie tendierte nach dem „Memorial-Day“-Feiertags-Wochenende in Amerika zwischenzeitlich bei 28 Dollar und hat seither fast ein Viertel ihres Wertes verloren.

Ein Ende des freien Falls ist trotz leichter Kursstabilisierung am Mittwochmorgen nicht in Sicht. Zumal professionelle Investoren kräftig Kasse machen wollen, in dem sie auf eine fortgesetzte Talfahrt wetten. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, sehen manche Teilnehmer am Optionsmarkt die Facebook-Aktie bereits im Juli bei nur noch 25 Dollar. Alle Versuche, klimatisch gegen den weiteren Niedergang zu steuern, sind bisher gescheitert. Weder öffentliche Spekulationen über ein eigenes internettaugliches Facebook-Mobiltelefon, noch Gerüchte über den Kauf der norwegischen Software-Firma Opera (sie produziert einen beliebten Internet-Browser für Mobil-Telefone) haben die Aktie des sozialen Netzwerks beflügeln können.

Schmerzhafte Attacken erwartet

Stattdessen muss sich das Unternehmen an breiter Front auf schmerzhafte Attacken einstellen. Etliche Investoren haben bereits Klage eingereicht. Begründung: Federführende Banken, allen voran die Konsortialführer Morgan Stanley, JP Morgan Chase und Goldman Sachs, hätten lediglich einem kleinen Kreis von Kunden vor Börsenstart die „Wahrheit“ über Facebook gesagt. Was zu stornierten Aufträgen führte. Uninformierte haben demnach in der Hype-Phase überteuert eingekauft.

Nach Angaben von Börsen-Experten in Washington haben allein Kleinanleger bisher rund 120 Millionen Dollar Verlust mit der Aktie gemacht. Die Frankfurter Rechtsanwaltsaktiengesellschaft Nieding + Barth rät deutschen Anlegern, „auf jeden Fall ihre Ansprüche anzumelden”. In den USA versucht der Aktionär Phillip Goldberg aus Maryland über ein Bundesgericht eine Sammelklage durchzusetzen. Würden die Einwände vieler Facebook-Geschädigten gebündelt, könnten am Ende hohe Entschädigungssummen erzielt werden.

Nach unten korrigierte Gewinnerwartung

Im Mittelpunkt der Kritik, die das Unternehmen zurückweist, steht David Ebersmann, der Finanzchef von Facebook. Er soll persönlich in der heiklen Phase des Börsengangs die nach unten korrigierten Umsatz- und Gewinnerwartungen an handverlesene Kunden weitergegeben und so gegen die strengen Offenlegungsvorschriften in den USA verstoßen haben. Eingeschaltet hat sich auch die amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde SEC.

Ihr Augenmerk liegt neben der „seltsamen Informationspolitik” (New York Times) von Facebook auf der Technologiebörse Nasdaq. Dort konnten Börsengeschäfte am Start-Tag erst mit größerer Verzögerung getätigt werden. Schließlich will auch die amerikanische Politik den „schlechtesten Internet-Börsengang aller Zeiten” (Los Angeles Times) gebührend untersuchen. Ausschüsse des Kongresses wollen Mark Zuckerberg persönlich zur „Beichte” nach Washington zitieren. Ein öffentlicher Auftritt des medienscheuen Jung-Milliardärs, so ein Blogger auf der Internetseite „politico”, „könnte den Ruf von Facebook weiter ramponieren”.

Facebook will trotzdem wachsen

Unterdessen strahlt der Gesichtsverslust von Facebook auf die Börsenambitionen anderer Unternehmen aus. Corsair Components, ein Hersteller von PC-Hardware, hat sein rund 80 Millionen Dollar schwere Erst-Emmission vorläufig auf Eis gelegt. Begründung: ungünstiges Umfeld.

Trotz der Misere hält Facebook an dem Plan fest, am Unternehmenssitz im kalifornischen Menlo Park zu expandieren. In der Zentrale im Silicon Valley sollen künftig 6600 statt bisher 3600 Mitarbeiter Platz finden. Zuckerbergs Firma entschädigt die Stadtkasse für das zu erwartende höhere Verkehrsaufkommen mit jährlich 850.000 Dollar. Bargeld, keine Aktien.