Essen. . Matthias Mitscherlich soll Betriebsräten Geld gezahlt haben, damit sie Pläne zur Personalkürzung durchwinken. Über seinen Anwalt lässt der Ex-Chef von Ferrostaal alle Vorwürfe zurückweisen: Er habe sich stets korrekt und im Sinne der Mitarbeiter verhalten. Trotzdem droht ihm eine Anklage.
Der Vorwurf ist brisant. Wurden beim Essener Traditionskonzern Ferrostaal Betriebsräte begünstigt, damit sie beim Jobabbau in einer Tochterfirma stillhalten? Jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft München nun Anklage gegen den ehemaligen Ferrostaal-Chef Matthias Mitscherlich erhoben. Mitscherlich ist einer von sieben Beschuldigten, denen die Staatsanwälte Untreue und Betriebsratsbegünstigung beziehungsweise Beihilfe dazu vorwerfen.
Es geht um Vorgänge aus dem Jahr 2008. Ein belgischer Investor wollte eine saarländische Ferrostaal-Firma übernehmen, zahlreiche Arbeitsplätze standen vor dem Aus. Wie in solchen Fällen üblich, sollte der Betriebsrat über einen Sozialplan verhandeln. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass bei Ferrostaal nicht alles nach den gängigen Regeln ablief. Im Gegenteil: Drei Betriebsräte sollen gewissermaßen gekauft worden sein. Über eine österreichische Firma sollen die Betriebsräte Beraterverträge erhalten haben, ohne dass eine echte Gegenleistung erbracht worden sei. Der Vorwurf lautet, das Geld aus den Kassen von Ferrostaal sei geflossen, um möglichen Widerstand der Betriebsräte gegen den Firmenverkauf zu verhindern.
Mitscherlich weist die Vorwürfe zurück. Als Ferrostaal-Chef habe er sich „stets dafür eingesetzt, mit Arbeitnehmern angemessene und deren Interessen gerecht werdende Lösungen anzustreben“, erklärte sein Berliner Anwalt Daniel Krause. Zu keiner Zeit habe Mitscherlich „eine bedenkliche oder rechtswidrige Gewährung von Vorteilen an einzelne Arbeitnehmer oder Betriebsräte mitgetragen oder gar angeregt“. Mitscherlich sei „zuversichtlich, dass sich die Haltlosigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe im weiteren Verlauf des Verfahrens herausstellen wird“.
Mitscherlichs Anwalt weist Vorwürfe zurück
Im Raum steht auch der Vorwurf, die Zahlungen an die Betriebsräte hätten über mehrere Jahre hinweg mehr als eine Million Euro erreichen können. 400 000 Euro sollen bereits von Ferrostaal an die österreichische Firma geflossen sein. Mitscherlichs Anwalt erklärte hingegen, im Zuge einer Vereinbarung von Ferrostaal mit den Betriebsräten seien im Herbst 2008 über drei Monate hinweg „etwas über 40 000 Euro gezahlt worden“. Im Übrigen sei Mitscherlich bei diesen Vorgängen ohnehin „nicht näher eingebunden gewesen“.
Der Frankfurter Rechtsanwalt Jürgen Fischer, der gemeinsam mit Kollegen aus seiner Kanzlei die drei Betriebsräte vertritt, sagt: „Zu behaupten, die Betriebsräte hätten ihre Kollegen verraten, ist völlig absurd.“ Es sei lediglich darum gegangen, Benachteiligungen auszugleichen, die den Arbeitnehmervertretern gedroht hätten. So habe der belgische Investor zur Bedingung gemacht, dass er die Tochterfirma von Ferrostaal nur ohne Betriebsräte übernehmen werde. Außerdem hätten die Arbeitnehmervertreter, die über viele Jahre hinweg für ihre Tätigkeit im Betriebsrat freigestellt worden seien, denkbar schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt.
Weitere Ermittlungen in der Schmiergeldaffäre
„Man hätte die Betriebsräte nicht so behandeln können wie alle anderen. Dann nämlich wären sie schlechter behandelt worden“, sagt Fischer. Mittlerweile sei übrigens passiert, „was eigentlich verhindert werden sollte“, berichtet er. „Jetzt leben alle drei von Hartz IV.“
Das Strafmaß für Untreue beträgt bis zu fünf Jahre, für Betriebsratsbegünstigung sieht das Gesetz eine Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Haft vor. Die jetzige Anklage sei ein „Nebenprodukt der Korruptionsermittlungen“ beim früheren MAN-Tochterunternehmen Ferrostaal, sagte Thomas Steinkraus-Koch, der Sprecher der Münchener Staatsanwaltschaft. Auch das Ermittlungsverfahren zur Ferrostaal-Schmiergeldaffäre sei noch nicht abgeschlossen.