Brüssel. Arbeitgeber dürfen ihren Arbeitnehmern immer wieder neue befristete Verträge anbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden. Geklagt hatte eine Frau, der das Land NRW 13 Mal hintereinander einen befristeten Vertrag angeboten hatte.

Befristete Ketten-Verträge verstoßen nicht grundsätzlich gegen das Europarecht. Das hat der Europäische Gerichtshof am Donnerstag in einem Grundsatz-Urteil entschieden. Eine Kölner Justiz-Angestellte hatte geklagt, nachdem ihr Arbeitgeber, das Land Nordrhein-Westfalen, sie 13 Mal hintereinander nur mit einem befristeten Arbeitsvertrag beschäftigt hatte. Auch “ein wiederholter oder ständiger Bedarf an Arbeitskräften” dürfe unter Umständen mit befristeten Verträgen abgedeckt weden, erklärte das Gericht.

Die heute 33-Jährige Bianca K. war zwischen 1996 und 2007 am Amtsgericht Köln tätig. Dabei sprang sie jeweils als Vertretung für Angestellte mit Dauer-Verträgen ein, die zum Beispiel wegen Elternzeit vorübergehend ausfielen. Zum Ablauf ihres 13. Arbeitsvertrags wurde ihr Ende 2007 eröffnet, dass sie sich nunmehr nach einer neuen Beschäftigung umsehen müsse. Frau K. klagte: Wer serienweise Mitarbeiter mit Frist-Verträgen beschäftige, könne sich nicht auf einen vorübergehenden Vertretungsbedarf berufen.

Der Missbrauch von Kettenverträgen ist grundsätzlich untersagt

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Das europäische Recht untersagt grundsätzlich Missbrauch in Form befristeter Kettenverträge. Es lässt aber eine Befristung zu, wenn es dafür sachliche Gründe gibt. Solche Gründe kann der nationale Gesetzgeber festlegen, und in Deutschland zählt dazu auch die vorübergehende Vertretung.

Daraus wird nach Ansicht der EU-Richter nicht automatisch ein unzulässiger Missbrauch, wenn die Befristung ständig eingesetzt wird, obwohl die Firma oder Behörde für den Vertretungsbedarf auch eine unbefristete Kraft einstellen könnte. Das Gericht zeigte Verständnis für den “Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen”.

Gericht verlangt Berücksichtigung des Einzelfalls

Ein endgültige Entscheidung im Falle der Kölnerin ist das freilich nicht. Das Luxemburger Gericht verlangt nämlich eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. namentlich auch der Gesamtdauer und Zahl der Fristverträge. Damit wird sich jetzt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt befassen müssen, das die Sache den EU-Kollegen vorgelegt hatte, um klären zu lassen, was das Europarecht dazu sagt. Frau K. könnte mithin durchaus noch recht – eine Festanstellung – bekommen, wenn die Erfurter Richter zur Auffassung gelangen, dass der Arbeitgeber NRW den europäischen Rechtsspielraum nicht genutzt, sondern überzogen hat.

Der DGB sieht in dem europäischen Urteil zu befristeten Arbeitsverträgen eine wichtige Klarstellung. "Das Urteil wird dazu führen, dass es schwieriger wird, diese dauerhaften Befristungen zu machen", sagte die DGB-Arbeitsrechtlerin Martina Perreng im Sender MDR Info. Perreng zufolge müssen Gerichte nun in Streitfällen auch die Zahl aller befristeten Arbeitsverträge und ihre Gesamtdauer berücksichtigen. Dies sei "ein Novum gegenüber der bisherigen Rechtslage in Deutschland", weil bislang immer nur der letzte befristete Arbeitsvertrag überprüft wurde.