Berlin. Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds verlangt von Industrie- und Schwellenländern schnelles Handeln, um die Weltwirtschaft vor einer Abwärtsspirale zu bewahren. Europa brauche ein kräftiges Wachstum und massivere Schutzwälle, so Christine Lagarde in Berlin.
Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hat Industrie- und Schwellenländer zu schnellem Handeln aufgerufen, um die Weltwirtschaft vor einer Abwärtsspirale zu bewahren. "Je länger wir warten, desto schlimmer wird es", warnte Lagarde am Montag in einer Rede in Berlin.
Ihr Appell richtete sich vor allem an die Europäer: Die Euro-Länder sollten ihre finanziellen Schutzwälle gegen die Schuldenkrise kräftig über das bereits Bestehende hinaus erhöhen, etwa beim dauerhaften Stabilitätsfonds ESM. Lagarde nannte auch die umstrittenen Eurobonds als Möglichkeit dafür. Begleitet werden sollten die Maßnahmen nach ihren Worten von einer weiteren geldpolitischen Lockerung durch die Europäische Zentralbank. Auch der IWF selbst sei bereit zu helfen, versicherte Lagarde. Er bemühe sich um bis zu 500 Milliarden Dollar an zusätzlichen Mitteln.
Kräftigeres Wachstum für Europa
Auszüge aus der Rede Lagardes vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin wurden vom IWF vorab veröffentlicht. Die Chefin des Währungsfonds hatte am Vorabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble über Wege zur Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise gesprochen.
"2012 muss ein Jahr der Gesundung werden", forderte Lagarde. "Der einzige Weg ist, gemeinsam voran zu gehen. Davon hängt unsere gemeinsame Zukunft ab." Europa braucht nach ihren Worten ein kräftigeres Wachstum, massivere Schutzwälle und mehr Integration. Die Weltwirtschaft steht nach ihrer Einschätzung an einem Wendepunkt und es komme darauf an, sie vor einem Abschwung zu bewahren. Der IWF sei bereit, zu helfen, sagte Lagarde. "Ich bin davon überzeugt, dass der Fonds seine Kreditvergabekapazität erhöhen muss", sagte die ehemalige französische Finanzministerin. Sie bezifferte den zusätzlichen Bedarf an Krisenhilfen auf rund einer Billion Dollar in den nächsten Jahren. Die Europäer haben bereits 200 Milliarden Euro zusätzlich zusagt.
Lagarde würdigte die europäischen Anstrengungen
Die IWF-Chefin würdigte die europäischen Anstrengungen mit den beiden Hilfsfonds EFSF und ESM, dem Vorstoß für eine Fiskalunion und den EZB-Liquiditätshilfen. "Diese wichtigen Schritte müssen anerkannt werden", sagte sie. Sie seien aber nur Bausteine einer umfassenden Lösung. Nötig seien auch Lösungen für Finanzrisiken, beispielsweise über gemeinsame Schuldenpapiere wie Eurobonds.
Lagarde forderte, den vorläufigen Rettungsschirm EFSF in den ESM zu überführen, diesen mit deutlich mehr Finanzkraft auszustatten und ihn so schnell wie möglich nutzbar zu machen. Ohne eine solche Rückendeckung drohten Länder wie Italien und Spanien durch "abnormale Finanzierungskosten" in Zahlungsprobleme gedrängt zu werden, mit katastrophalen Folgen für die Stabilität des gesamten Finanzsystems.
Wachstum könnte belastet werden
Die konjunkturellen Bremsspuren in Europa bergen nach Lagardes Worten die Gefahr, dass sich die Schuldenlast von Euro-Ländern erhöht und das Wachstum belastet. "Deshalb sind zusätzliche, befristete geldpolitische Lockerungen wichtig, um solche Risiken zu vermindern", erklärte sie. Länder mit finanziellem Spielraum - wie Deutschland - forderte sie auf, die Konsolidierung nicht zu scharf voranzutreiben, sondern schrittweise vorzugehen.
Lagarde plädierte dafür, auch bei den Banken darauf zu achten, dass sie ihre Kreditvergabe nicht einschränken. Wachstumsfördernde Maßnahmen trügen dazu bei, dass die Institute hier nicht den Rückwärtsgang einlegen müssten. Die IWF-Chefin plädierte für eine paneuropäische Institution zur Bankenrettung, die in Notfällen auch direkte Beteiligungen an Instituten übernehmen könnte.
Lagarde erinnerte aber auch die Länder außerhalb Europas an ihre Verantwortung, zur Stabilisierung der Weltwirtschaft beizutragen. Das gelte insbesondere für die USA, die ihre Probleme mit Hypotheken lösen und die Staatsschulden auf mittlere Sicht senken müssten. Länder wie China mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen und Devisenreserven müssten mehr Gewicht auf ein stärkeres Binnenwachstum legen. (dapd)