Brüssel. 2011 scheiterten die Bemühungen der Politiker, Europas Schuldenkrise einzudämmen. Nun soll 2012 die lang ersehnte Wende bringen. Wir erklären, wer welche Positionen vertritt - und wo die Probleme liegen.
Trotz diverser Versuche und Krisen-Gipfeltreffen schwelt Europas Schulden- und Vertrauenskrise weiter. Inzwischen sorgen sich Geldgeber wie Banken, Investmentfonds und Versicherer auch um die Zahlungsfähigkeit großer Euro-Staaten wie Italien und Spanien. Das verschärft die Turbulenzen an den Finanzmärkten und erhöht den Druck auf die Politiker, die Krise wirksam zu bekämpfen. Im neuen Jahr wartet viel Arbeit auf die Haupt-Akteure.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Europas mächtigste Frau wird auch 2012 ihre EU-Kollegen auf die deutsche Linie einschwören. 2011 wehrte sie sich gegen Ansinnen, die unabhängige Europäische Zentralbank in den Krisenkampf einzubinden. Stattdessen setzte Merkel schärfere Strafen für staatliche Haushalts- und Schuldensünder durch, wenn auch nicht im EU-Vertrag verankert. Sie sieht das trotzdem als Durchbruch zur Stabilitätsunion. Abstriche muss Merkel bei der Beteiligung privater Gläubiger wie Banken machen: Schuldenerlässe wie für Griechenland soll es künftig nun doch nicht geben.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy
Trotz teils unterschiedlicher Meinungen zum Beispiel über die Rolle der Europäischen Zentralbank trat Sarkozy 2011 verstärkt im Schulterschluss mit Merkel auf, um die Schuldenkrise niederzuringen. Das brachte den zwei Politikern der beiden größten EU-Staaten den Spitznamen „Merkozy“ ein. Im April zeigt sich, ob das Duo den gemeinsamen Kurs weiterverfolgen kann: In Frankreich stehen Präsidentschaftswahlen an. Derzeit liegt Sarkozys sozialistischer Rivale Francois Hollande in Umfragen vorn – und gibt sich nicht sehr Merkel-freundlich.
Großbritanniens Premier David Cameron
Der Regierungschef der drittgrößten Volkswirtschaft in der EU sorgte im Dezember für einen Paukenschlag. Beim Gipfeltreffen scherte Großbritannien als einziger der 27 EU-Staaten aus. Cameron sperrte sich dagegen, ohne Gegenleistungen für sein Land den EU-Vertrag zu ändern, um eine striktere Haushaltspolitik in Europa zu ermöglichen. Um trotzdem stärkere Kontrollen einführen zu können, werkeln die EU-Länder an einem Vertrag zwischen ihren Regierungen. Bis März soll der „Fiskalpakt“ stehen – und auch für Cameron offen sein.
Griechenlands Ministerpräsident Lucas Papademos
Der Ex-Zentralbanker, der seit November Regierungschef ist, steht vor einer Herkulesaufgabe: Papademos soll das pleitebedrohte Griechenland endlich sanieren. Zudem verhandelt seine Regierung mit privaten Gläubigern über einen Schuldenerlass: Sie sollen Anfang 2012 auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Zwar erhält Griechenland seit Mai 2010 europäische Notkredite, spart und baut die Wirtschaft um, doch der Umschwung bleibt aus. Der Staat, in dem die Schuldenkrise ihren Ursprung hat, braucht ein zweites Hilfspaket.
IWF-Chefin Christine Lagarde
Bevor sie im Sommer 2011 an die Spitze des Internationalen Währungsfonds IWF wechselte, war Lagarde französische Finanzministerin. Die Euro-Misere kennt sie daher genau. Die IWF-Chefin macht Druck auf die Europäer, die Schuldenkrise einzudämmen. Sie weiß: Die Turbulenzen in Europa hemmen mittlerweile die Weltwirtschaft. Zudem gewährt der IWF einen Teil der Notkredite für die klammen Euro-Staaten Griechenland, Irland und Portugal. Die Europäer wollen dem IWF nun mehr Geld geben, damit er Krisenländer stärker unterstützen kann.
Der oberste Euro-Hüter Mario Draghi
Der Italiener leitet seit November Chef die Europäische Zentralbank (EZB). Wie sein Vorgänger Jean-Claude Trichet wehrt sich Draghi dagegen, vor den politischen Karren gespannt zu werden und massiv Schuldverschreibungen (Anleihen) kriselnder Euro-Staaten zu kaufen, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Draghi kümmert sich um Europas Bankenbranche, damit sie Wirtschaft und Staaten mit ausreichend Geld versorgt. Die EZB lieh Banken im Dezember insgesamt 489 Milliarden Euro – ein Rekord. Eine weitere derartige Aktion steht im Februar an.
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso
Dem Portugiesen missfällt, dass die EU-Staaten unter Führung Deutschlands und Frankreichs immer mehr unter sich regeln - und EU-Kommission sowie EU-Parlament außen vor lassen. „Die EU-Kommission ist die Wirtschaftsregierung“, betont Barroso. Doch er eckt mit seinen Bestrebungen an. So lehnte Kanzlerin Merkel die Brüsseler Vorschläge scharf ab, wie Euro-Bonds aussehen könnten, also gemeinsame Schulden der Euro-Staaten. Immerhin arbeiten Merkel & Co. daran, dass die EU-Kommission mehr Macht erhält, um das Haushalten der Staaten zu kontrollieren.
EU-Ratspräsident Herman van Rompuy
Der Belgier ist vielen Bürgern unbekannt, spielt aber eine wichtige Rolle bei der Krisenbekämpfung. Rompuy ist Chef des Europäischen Rats. Der Rat, der die Leitlinien der EU-Politik bestimmt, besteht aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder. In ihrem Auftrag erarbeitete Rompuy Optionen für strengere Haushaltsregeln und eine stärkere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit im Euro-Währungsraum. Zudem organisiert Rompuy die Gipfel der Euro-Länder, die sich bis Sommer angesichts der Schuldenturbulenzen einmal im Monat treffen wollen.