Essen. . Der Thyssen-Krupp-Aufsichtsrat lässt Schadenersatzansprüche gegen den Ex-Vorstandschef Ekkehard Schulz prüfen. Hintergrund ist die Kostenexplosion im neuen brasilianischen Stahlwerk.

Erst legte der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp dem ehemaligen Konzernchef Ekkehard Schulz den Rücktritt als Aufseher nahe. Jetzt lässt er auch etwaige Schadenersatzansprüche gegen ihn prüfen. Das Milliardendebakel um das neue Stahlwerk in Brasilien erreicht eine neue Eskalationsstufe.

Die Hochofenanlage in der Sepetiba-Atlantikbucht läuft noch nicht richtig, da sind die Kosten bereits von ursprünglich geplanten 1,8 Milliarden Euro auf 5,2 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Das Brasilien-Abenteuer verhagelt Thyssen-Krupp die Bilanz. Mit 2,1 Milliarden Euro Abschreibungen auf die amerikanische Stahlsparte rutschte der Essener Mischkonzern im abgelaufenen Geschäftsjahr tief in die roten Zahlen und musste ei­nen Verlust von 1,8 Milliarden Euro ausweisen.

Nun soll die Anwaltskanzlei Hengeler-Mueller ermitteln, ob Ekkehard Schulz dafür in Regress genommen werden kann. Als Thyssen-Krupp-Chef hatte er das Projekt gegen heftigen Widerstand insbesondere aus der Arbeitnehmerschaft durchgesetzt.

Die Kanzlei ist mit dem Brasilien-Debakel durchaus vertraut. Sie hatte bereits geprüft, ob der damalige Vorstandsvorsitzende der Thyssen-Krupp Stahl AG, Karl-Ulrich Köhler, für die erheblichen Kostenüberschreitungen zur Verantwortung gezogen werden kann. Der Konzern hatte ihn im März 2009 gefeuert. Damals war von einem Bauernopfer die Rede.

Anwälte prüfen

Das Ergebnis der Prüfung trug Schulz bei der Thyssen-Krupp-Hauptversammlung im Januar 2010 in Bochum selbst vor: Die Anwälte Hengeler-Mueller waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Köhler seine Sorgfaltspflicht in der Causa Brasilien nicht verletzt habe. Thyssen-Krupp nahm deshalb von einer Schadenersatzklage gegen Köhler Abstand. Er arbeitet nun für den indischen Stahlkonzern Tata.

Nun hat Aufsichtsratschef Gerhard Cromme die Anwälte mit einer Aktualisierung des Gutachtens beauftragt. Ge­genstand ist diesmal Ekkehard Schulz selbst. Im Januar 2011 wechselte der heute 70-Jährige vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat. Nach Vorlage der verheerenden Konzernbilanz Anfang Dezember übernahm Schulz die Verantwortung für das Brasilien-Desaster und legte seine Mandate im Aufsichtsrat und im Beirat der Krupp-Stiftung nieder. Dem Schritt war ein Gespräch mit Konzern-Patriarch Berthold Beitz vorausgegangen. Sowohl Beitz als auch Aufsichtsratschef hatten die Investitionsentscheidung in Brasilien nach ursprünglichen Bedenken mitgetragen – wegen der geringen Investitionskosten, die sich später als großer Irrtum herausstellten.

Der „Eiserne Ekki“ übernahm die Verantwortung, obwohl er die Hauptschuld anderen Managern zuwies. Der FAZ sagte er: „Das einzige, was ich mir vorwerfe, ist, dass ich zu lange den falschen Männern vertraut habe.“