München. Die Hauptversammlung der Hypo Real Estate hat dem Bund freie Hand zur Verstaatlichung der Bank gegeben. Kleinaktionäre pfiffen Soffin-Chef Rehm aus, Aktionärsschützer kritisierten die vollständige Verstaatlichung als unnötig.
Die Hauptversammlung der Hypo Real Estate hat dem Bund freie Hand zur Verstaatlichung der Bank gegeben. Die Aktionärsversammlung erlaubte dem Bankenrettungsfonds SoFFin am Dienstagabend mit 73,95 Prozent der anwesenden Stimmen, seinen Anteil an der Pfandbriefbank durch den Kauf neuer Aktien für bis zu 5,64 Milliarden Euro von 47 auf weit über 90 Prozent zu erhöhen.
Der SoFFin werde der Bank rasch rund drei Milliarden Euro frisches Kapital zur Verfügung stellen und damit auf 90 Prozent aufstocken, sagte HRE-Chef Axel Wieandt. Anschließend wolle der SoFFin alle verbliebenen Aktionäre auszahlen und somit 100 Prozent übernehmen.
Der SoFFin hatte auf der Hauptversammlung allein schon mit seinen bisherigen 47 Prozent die notwendige einfache Mehrheit der Stimmen, weil bei der Abstimmung nur 74 Prozent des gesamten Kapitals anwesend waren.
Turbulente Hauptversammlung
Die Hauptversammlung war äußerst turbulent. Vertreter des US-Investors Christopher Flowers meldeten sich zunächst nicht zu Wort. Insgesamt lagen dem Versammlungsleiter 50 Wortmeldungen und 27 Gegenanträge vor. Kleinaktionäre pfiffen den Soffin-Chef Hannes Rehm aus, und Aktionärsschützer kritisierten die vollständige Verstaatlichung als unnötig.
SoFFin-Chef Rehm erklärt Verstaatlichung für notwendig
Mit Pfeifkonzerten und «Aufhören!»-Rufen haben Aktionäre der Hypo Real Estate die Rede des Bundesvertreters als größtem Aktionär auf der Hauptversammlung fortlaufend gestört. Der Vorsitzende des staatlichen Bankenrettungsfonds SoFFin, Hannes Rehm, warnte, ein Zusammenbruch der Pfandbriefbank würde die Folgen des Zusammenbruchs der US-Bank Lehman Brothers «weit in den Schatten stellen». Die Rettung der Bank «kann nicht mit einer bloßen Mehrheitsbeteiligung des Staates erreicht werden», sagte Rehm unter den Buhrufen empörter Kleinaktionäre.
Der SoFFin will im Zuge einer Kapitalerhöhung und eines anschließenden Ausschluss von Investor Christopher Flowers und aller anderen Aktionäre 100 Prozent an der Bank übernehmen. Für den Erhalt der HRE sei viel staatliches Geld und dauerhaft zügiges Handeln notwendig. «Wir müssen ausschließen, dass die erforderliche Umstrukturierung durch Einzelinteressen gravierend verzögert, verteuert und kompliziert werden kann», sagte Rehm. Mit solchen Störmanövern gebe es leidvolle Erfahrungen.
Als Staatsbank könne sich die HRE auch viel billiger wieder Geld am Kapitalmarkt leihen und so mittelfristig wieder in die Gewinnzone kommen. Das Interesse der einzelnen Aktionäre müsse daher hinter dem Interesse der Allgemeinheit zurückstehen, sagte Rehm, der sich nur mit Mühe gegen die Sprechchöre der Kritiker Gehör verschaffen konnte. «Wir sind froh, dass ein 100-prozentiger Kontrollerwerb auch ohne Enteignung in realistische Nähe gerückt ist», sagte Rehm.
Bund will für 3 Milliarden Euro neue Aktien kaufen
HRE-Vorstandschef Axel Wieandt zeichnete ein bedrohliches Bild von der Lage der Bank. Sie sei nur mit massiven Liquiditäts- und Kapitalhilfen des Bundes überlebensfähig - ohne sie hätte die Bank «bereits Insolvenz beantragen müssen». Deshalb «bitten Vorstand und Aufsichtsrat Sie heute in aller Eindringlichkeit um Zustimmung zu der Kapitalerhöhung», sagte Wieandt: «Das Überleben kann nur von dem SoFFin kommen.» Die Restrukturierung sei hochkomplex, und auch nach der jetzt anstehenden Kapitalerhöhung seien weitere Kapitalerhöhungen notwendig.
Bei Zustimmung der Hauptversammlung würde der SoFFin rasch 986 Millionen neue Aktien für 2,96 Millionen Euro zeichnen und damit seinen Anteil von 47,3 auf 90 Prozent erhöhen. Anschließend werde der SoFFin die Altaktionäre gegen Zahlung einer «angemessenen Barabfindung» aus dem Unternehmen ausschließen, sagte Wieandt unter dem Hohngelächter von Aktionären.
Hohe Abschreibungen und enorme Kreditrisiken
Die HRE habe im vergangenen Jahr 5,5 Milliarden Euro Verlust gemacht, ihr «Geschäftsmodel hat sich als nicht krisenfest erwiesen», auch 2009 und 2010 sei mit Verlusten zu rechen, erklärte Wieandt. «Die erforderlichen Mindestkapitalquoten sind deutlich unterschritten.» Es drohten weiterer Abschreibungen und hohe Kreditausfälle. Besonders die Gewerbeimmobilien machten große Sorgen, hier summierten sich die Problemkredite auf 7,3 Milliarden Euro.
Die Bank werde vom Bund und einem Bankenkonsortium mit Liquiditätshilfen von derzeit noch 100 Milliarden Euro gestützt und brauche daneben auch frisches Eigenkapital. Beides könne nur der Bund geben. Aber nur bei Ausschluss der übrigen Aktionäre sei der SoFFin bereit, dringend notwendiges Kapital in die Bank zu pumpen. Ohne diese Hilfen bliebe «im Insolvenzfall für Sie als Aktionäre kein Liquidationserlös». Der Wunsch der Aktionäre, im Unternehmen zu bleiben, sei zwar nachvollziehbar, aber nicht realistisch.
Die HRE habe bereits fünf Standorte geschlossen, einzelne Tochtergesellschaften verkauft und den Abbau von 300 der 1.800 Stellen vereinbart. Weitere Schritte folgten bis zum Jahresende, sagte Wieandt.
Aktionärsschützer begehren auf
Mit scharfer Kritik haben Aktionärsschützer auf die geplante Verstaatlichung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate reagiert. «Was wir heute erleben ist für mich eine der schwärzesten Stunden des deutschen Aktienrechts», sagte Harald Petersen, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), am Dienstag in München auf der außerordentlichen Hauptversammlung der HRE.
Die geplante Kapitalerhöhung und danach geplante hundertprozentige Übernahme der HRE durch den Bund sei «in keinster Form durchdacht», sagte Petersen. Ihm sei vollkommen unklar, warum bei allen anderen durch den Staat gestützten Banken die Aktionäre im Boot bleiben dürfen, die der HRE aber rausgeschmissen werden sollen. «Es kann doch nicht sein, dass der Staat sich hier aufführt wie eine Heuschrecke», sagte Petersen unter dem Applaus zahlreicher Aktionäre.
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf dem ehemaligen HRE-Chef Georg Funke vor, bei seinen Geschäften «bewusst gezockt» und so die Milliarden-Schieflage des Unternehmens verursacht zu haben. Dass der Staat nun die Altaktionäre mit der Begründung hinausdrängen wolle, so drohende juristische Auseinandersetzungen mit Aktionären bei der Geschäfts-Neuausrichtung verhindern zu wollen, sei in einer Demokratie nicht nachvollziehbar. «Das Ausschöpfen aller rechtlichen Mittel entspricht unserem hart erarbeiteten Verständnis des Rechtsstaates.» (afp/ap)