Essen. Der Chef der Warenhauskette Karstadt Andrew Jennings hat große Pläne für den Traditionskonzern. Für die Beschäftigten soll es ein Bonus-System geben. Karstadt bekommt zudem vier Jahre Zeit zur Modernisierung.

Karstadt-Chef Andrew Jennings sprach mit der WAZ-Mediengruppe über die Zukunft der Warenhauskette:

Was hat sich seit Ihrem Amtsantritt bei Karstadt getan?

Andrew Jennings: Die Zeit seit Jahresbeginn ist wie im Flug vergangen. Und meine Arbeit macht mir unglaublich viel Spaß. Die ersten Monate standen unter dem Motto „looking, learning, listening“ – also beobachten, verstehen, zuhören. Mittlerweile habe ich mehr als 60 unserer Filialen besucht, die erste übrigens in Recklinghausen. Als ich zuerst dort war, habe ich gedacht: Wow, hier steckt wirklich Potenzial drin.

Wie viele Warenhäuser sind schon so, wie sie aus Ihrer Sicht sein sollten?

Jennings: Sehr wenige. Deshalb heißt unsere Strategie ja „Karstadt 2015“. Karstadt 2015 ist eine Reise, die sogar noch über das Jahr 2015 hinausgehen wird.

Haben Sie genügend Zeit und Geld dafür?

Jennings: Sicher! Wir haben mit Nicolas Berggruen einen Eigentümer, der sich mit Karstadt sehr verbunden fühlt. Innerhalb der nächsten vier Jahre werden wir 400 Millionen Euro in Karstadt investieren. Allein in diesem Jahr werden wir schon bis Ende September 22 Filialen modernisiert haben. Insgesamt werden es rund 60 Häuser sein.

Zu Karstadt gehören 83 Warenhäuser, 26 Sport-Filialen, sieben Schnäppchenmärkte und die drei Luxus-Warenhäuser KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München. Bleibt es dabei?

Jennings: Alles hängt davon ab, wie sich das Geschäft entwickeln wird. Letztlich entscheiden unsere Kunden, ob unsere Strategie erfolgreich ist.

Wird es Filial-Schließungen geben?

Jennings: Solche Pläne haben wir nicht.

Das KaDeWe ist schon länger ein Objekt der Begierde anderer Handelskonzerne. Können Sie sich einen Verkauf vorstellen?

Jennings: Das KaDeWe steht nicht zum Verkauf. Es ist eine Perle im Unternehmen.

Was haben Sie eigentlich gegen einen Zusammenschluss von Karstadt mit der Metro-Warenhauskette Kaufhof?

Jennings: Ich konzentriere mich voll und ganz auf Karstadt. Wir sind auf dem Weg von einem nicht mehr tragfähigen Geschäftsmodell hin zu einem modernen, wahrhaftig kundenfokussierten Unternehmen. Das füllt uns völlig aus.

Im September nächsten Jahres läuft eine Beschäftigungs- und Standortgarantie bei Karstadt aus. Damit endet auch ein Vertrag, der dem Unternehmen Einsparungen bei den Lohnkosten sichert – immerhin in Höhe von rund 50 Millionen Euro jährlich. Wie geht es dann weiter?

Jennings: Ich habe sehr viel Respekt davor, welche großen persönlichen Opfer unsere Mitarbeiter zur Rettung von Karstadt gebracht haben. Es ist sehr wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Wir haben diese Entwicklung in unseren Planungen natürlich berücksichtigt.

Wird es neue Gespräche mit den Arbeitnehmern über eine ähnliche Vereinbarung geben?

Jennings: Natürlich werden wir uns zusammensetzen. Noch ist es aber zu früh, um ins Detail zu gehen.

Die größte Gruppe im Unternehmen stellen die 83 Warenhäuser. Sind sie auch das größte Problem?

Jennings: Nein. Sie sind die größte Chance. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Umsätze deutlich steigern werden – zum Beispiel, indem wir uns künftig stärker auf die Bereiche Fashion, Living, Beauty und Sports konzentrieren. Wir haben bereits heute täglich etwa eine Million Kunden in unseren Warenhäusern. Das ist ein gigantisches Potenzial.

Ist Karstadt profitabel?

Jennings: Ja. Wir liegen voll im Plan.

Welche Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht?

Jennings: Es gibt in sehr vielen Schubladen im Unternehmen tolle Konzepte und Strategien für Karstadt, die nie umgesetzt wurden. Es gibt aber im Einzelhandel keinen ‚Königsweg’. Der entscheidende Unterschied wird jetzt sein: die konsequente Umsetzung.

Meinen Sie damit auch das Projekt „Separation“, also die umstrittene Aufteilung des Unternehmens in die Bereiche Luxus-, Sport- und Warenhäuser?

Jennings: Dieser Schritt war aus meiner Sicht als Einzelhändler notwendig und richtig. Die drei Bereiche sind miteinander vernetzt, aber sie haben jeweils unterschiedliche Kundenstrukturen und Reifegrade. Sie brauchen eine Spezialisierung. Nun sind wir schneller und flexibler. Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass wir die Expansion unseres Sportgeschäfts mit einem Partner vorantreiben. Durch unsere Organisation ist das jetzt problemlos möglich.

Sie wollen neue Filialen eröffnen?

Jennings: Wir wollen expandieren. Wir wollen zum Beispiel über zehn neue Sport-Standorte in den nächsten Jahren schaffen. Im Übrigen wollen wir auch unser Online-Geschäft massiv ausbauen.

Karstadt beschäftigt derzeit rund 24.000 Mitarbeiter. Bleibt diese Zahl stabil?

Jennings: Das hängt davon ab, wie sich unser Geschäft entwickelt. Wenn es wächst, wird auch unsere Belegschaft größer. Wir legen derzeit den Grundstein dafür, dass Karstadt auch in Zukunft gute Verkäuferinnen und Verkäufer hat, die wir in unserer ‚Retail Academy’ trainieren. Und wir sehen in die Zukunft: So haben wir im Jahr 2011 nicht nur über 400 Ausbildungsplätze neu zu vergeben, sondern wir haben auch alle unsere fertig ausgebildeten Azubis, die gute Leistungen gezeigt haben und zu flexiblen Arbeitszeiten bereit sind, unbefristet übernommen. Das sind mehr als 200 junge Menschen.

Wie würden Sie das Klima zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat bezeichnen?

Jennings: Es ist ausgezeichnet. Und das ist uns auch sehr wichtig. Aktuell haben wir zum Beispiel die Zustimmung der Arbeitnehmer, das Incentivierungsprogramm für die Mitarbeiter in den Filialen unternehmensweit ab 1. September einzusetzen. Wir haben es zuvor als Pilotprojekt intensiv getestet und es hat gute Ergebnisse gezeigt. Für die Mitarbeiter in unseren Filialen heißt das: Wer viel verkauft, erhält einen Zuschlag auf das derzeitige Gehalt.

Wie hoch kann der Bonus für die Beschäftigten ausfallen und wie viel Geld investiert Karstadt in dieses Programm?

Jennings: Mit dem Programm lohnt sich besondere Leistung in finanzieller Hinsicht. Das kann durchaus mehrere hundert Euro für Mitarbeiter im Verkauf ausmachen.

Ist die Sanierung von Karstadt abgeschlossen?

Jennings: Wir sind schon sehr weit, aber es liegt noch ein gutes Stück harter Arbeit vor uns. Wir haben eine klare Strategie. Jetzt geht es darum, die Pläne konsequent umzusetzen und beim Geschäft zuzulegen.

Ist Karstadt sicher?

Jennings: Karstadt ist in sicheren Händen.

Sie sind 62 Jahre alt und seit Jahrzehnten international im Geschäft. Würden Sie Karstadt als Ihren schwierigsten Fall bezeichnen?

Jennings: Nein, Karstadt ist aber meine spannendste Aufgabe.

Wie gefällt Ihnen Ihr Spitzname „The Hurricane“ – der Wirbelsturm?

Jennings: Den habe ich wohl, weil ich Dinge in der Regel schnell und gründlich umsetzen will. In dieser Hinsicht verstehe ich „The Hurricane“ als Kompliment.

Bislang ist Ihre Arbeitssprache bei Karstadt Englisch. Werden Sie auch Deutsch lernen?

Jennings: Ich lerne Deutsch. Aber entscheidend ist doch: Ich spreche die internationale Sprache des Einzelhandels und diese Sprache funktioniert in Johannesburg oder New York genauso wie in Essen.