Essen. . Vor einem Jahr ging das spektakuläre Ringen um die Zukunft des Essener Karstadt-Konzerns zu Ende. Investor Nicolas Berggruen unterschrieb den Kaufvertrag. Seither ist es ruhig geworden. Sanierungserfolge sind kaum zu sehen.
Jahrelang hat der krisengeschüttelte Essener Warenhauskonzern Karstadt regelmäßig für Schlagzeilen gesorgt. Doch seitdem der Investor Nicolas Berggruen das Unternehmen übernommen hat, ist es still geworden um die Kaufhauskette. Kaum etwas aus der Essener Firmenzentrale dringt nach außen. In dieser Woche aber meldete sich Berggruen selbst in einem Brief an die Mitarbeiter zu Wort.
Ein Jahr nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages zog der Milliardär eine positive Zwischenbilanz. „Erste Fortschritte werden schrittweise sichtbar“, lobte Berggruen die Arbeit seines Management-Teams. Es gehe jetzt konsequent voran bei der Warenhauskette. „Wir liegen dabei im Plan“, schrieb er. Und: „In einem Jahr planen wir bereits profitabler zu sein.“
Das eher wolkige Statement dürfte wohl auch dazu gedacht gewesen sein, die 25.000 Mitarbeiter zu beruhigen. Denn in der Branche wird über deutliche Umsatzeinbußen in den Karstadt-Filialen gemunkelt. Und die angekündigte strategische Neuausrichtung lässt bisher noch auf sich warten.
Umstrittene Management-Entscheidungen
Der neue Karstadt-Chef Andrew Jennings will seine neue Strategie erst in einigen Wochen präsentieren. Sie stelle „den Kunden in den Mittelpunkt allen Handelns“, verriet Berggruen in seinem Mitarbeiterbrief vorweg. Nicht gerade ein revolutionäres Konzept im Dienstleistungsbereich.
Der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg blickt denn auch durchaus skeptisch auf die Entwicklung beim Essener Unternehmen. „Karstadt droht wieder abzugleiten. Alte Wunden brechen wieder auf, weil Kernprobleme nicht gelöst sind“, meint er. Die Warenhauskette leide unter einer völlig überalterten Kundenstruktur und habe bislang auch keine Strategie gefunden, jüngere Kundinnen zurückzugewinnen. „Bei Karstadt kommt unten nichts nach, aber oben sterben die Kunden weg.“
Cornelia Haß von der Gewerkschaft Verdi hält allerdings nichts von Schwarzmalerei. „Wir haben keine Indizien für eine wirtschaftliche Schieflage“, betont sie.
Allerdings sind etliche Management-Entscheidungen Berggruens umstritten, nicht zuletzt die Berufung des britischen Managers Jennings zum neuen Karstadt-Chef. Der ehemalige Chef von Woolworth Südafrika hat zwar einen guten Ruf. Er gilt als fleißig und zupackend. Doch hat er keinerlei Erfahrung mit dem schwierigen deutschen Markt. Für Roeb ist das ein schweres Manko. „Wenn sie die Sprache im Land nicht sprechen, haben sie ein Problem. Sie können nur die Unterlagen lesen, die extra auf Englisch aufbereitet wurden. Sie fahren mit absolutem Tunnelblick.“
„Chancen von Karstadt sind nicht gestiegen“
Kein gutes Zeichen war in den Augen vieler Beobachter auch der abrupte Abgang von Karstadt-Aufsichtsratschef Alain Caparros. Der Rewe-Chef hatte seinen Kontrolleursposten nach wenigen Monaten im April 2011 wegen Meinungsverschiedenheiten über die Rolle des Aufsichtsrates bei der strategischen Neuausrichtung des Unternehmen hingeschmissen. Den Aufsichtsratsvorsitz übernahm danach ein enger Vertrauter Berggruens. Auch die Berufung der Ehefrau von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Doris Schröder-Köpf, in das Kontrollgremium sorgte vielerorts für Kopfschütteln.
Das Fazit des Handelsexperten Roeb ein Jahr nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages durch Berggruen fällt denn auch durchaus kritisch aus: „Die Chancen von Karstadt waren von vorneherein nicht besonders gut, aber sie sind auch nicht gestiegen.“ (dapd)