Essen. . Die Energiewende in Deutschland hat ein ernstes Problem. Ein heftiger Konflikt mit dem Naturschutz bedroht die geplanten Hochseewindparks in Nord- und Ostsee. Der Baulärm gefährdet seltene Meeressäuger. Die Offshore-Branche bangt um ihre Reviere.
Tausende Fundamente müssen in den kommenden Jahren in den Meeresboden gerammt werden. Forscher warnen, dass der Lärm auf den Meeresbaustellen die bedrohten Schweinswale töten könnte. Doch ohne Lärmschutz-Konzept wollen die Behörden künftig keine Genehmigungen mehr erteilen. Die Windbranche ist geschockt, will aber handeln.
Die Zeit drängt. Die riesigen Windräder, die sauberen Strom produzieren und Deutschland unabhängiger von Kernspaltung und Kohleverstromung machen sollen, stehen künftig womöglich auf rechtlich wackligem Grund. Ohne Lärmschutz könnte es der Öko-Energie vom Meer so ergehen wie dem Eon-Kohlekraftwerk in Datteln: Ein Gericht legte die Baustelle still.
Vor den deutschen Küsten wird es langsam eng. 97 Projekte für die Errichtung und den Betrieb von Offshore-Windparks betreut die Genehmigungsbehörde, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). 26 Windparks sind aktuell genehmigt, davon 23 in der Nordsee. Genau dort aber finden sich die höchsten Bestandszahlen der geräuschempfindlichen Schweinswale. Der bis zu 1,80 Meter lange Meeressäuger, die einzige heimische Walart, ist in ganz Europa unter gesetzlichen Schutz gestellt. Lärm macht das Tier taub und kann es sogar töten, so Forscher.
Grenzwert für Unterwasserkrach
Zum Schutz der Schweinswale gibt es in Deutschland einen Grenzwert für den Unterwasserkrach. Nicht lauter als 160 Dezibel dürfe der Krach rund um Offshore-Baustellen sein, legte das Umweltbundesamt fest. Ausnahmen können Unternehmen beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) beantragen – und notfalls klagen. Für BfN-Präsidentin Beate Jessel aber ist klar: Ohne verbesserten Lärmschutz keine Genehmigung.
Das Problem: Der Grenzwert wurde beim Bau der Windparks Alpha Ventus und Bard Offshore 1 vor Borkum zum Teil deutlich überschritten. Das viel größere Problem: Die Ingenieure sind ratlos. „Es gibt keine erprobten technischen Maßnahmen, um den Lärm effektiv und kurzfristig zu mindern“, sagt Martin Skiba, Leiter des Geschäftsbereichs Offshore bei der RWE-Tochter Innogy.
Die Branche reagiert. Unter der Federführung des Essener Energiekonzerns haben die acht großen Erbauer und Betreiber von Offshore-Windparks am Dienstag eine Lärmschutz-Offensive ins Leben gerufen. Bard Engineering, Dong Energy, EnBW, Eon, EWE Energie, RWE Innogy, Stadtwerke München und Vattenfall wollen in den nächsten acht Monaten Lärmschutz-Methoden auf ihre Wirksamkeit hin erforschen. Die Kosten, rund vier Millionen Euro, tragen sie zu gleichen Teilen.
Die Branche will Lärmschutz erforschen
Fünf Verfahren werden nun im Sommer in der Ostsee getestet. Blasenschleier um den Gründungspfahl sollen beim Rammen den Schall schlucken. Netze mit Ballons könnten um die Pfeiler gespannt werden. Stahlrohre mit Dämmmaterial oder eine Kombination aus allen Maßnahmen sollen als Unterwasser-Schalldämpfer dienen. Keine der Methoden ist je als vielversprechend bewertet worden. Innogy-Manager Martin Skiba: „Die Politik erwartet, dass wir die technischen Lösungen von heute auf morgen finden. Das ist nicht möglich.“
Die Branche setzt auf eine Schonfrist von zwei bis drei Jahren und will Kompromisse ausloten. Skiba kritisiert, dass Deutschland mit seinem Grenzwert für Schweinswale einen Sonderweg gehe. In anderen EU-Ländern reiche die Auflage, mittels eines akustischen Warnsignals die Meeressäuger bei Rammarbeiten zu verscheuchen. Ein Zeitfenster, in dem Rammarbeiten auf hoher See verboten sein sollen, hält er für „extrem kontraproduktiv“. Skiba: „Wenn wir in den Sommermonaten nicht mehr bauen dürfen, dann braucht sich Deutschland um Offshore-Windparks keine Gedanken mehr zu machen.“