Essen. .
IG Metall-Vizechef Detlef Wetzel zeigt sich bitter enttäuscht über den politischen Kompromiss für einen Mindestlohn in der Leiharbeit. Am heutigen Tag demonstrieren tausende Beschäftigte auch in NRW.
Eigentlich wollte die SPD beim Thema Leiharbeit auf die Gewerkschaften zugehen. Vor einigen Tagen beschloss das Parteipräsidium die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Branche. In der „Mannheimer Erklärung“ verlangte die SPD außerdem „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ von Leiharbeitern und der Stammbelegschaft.
Doch nun ist die Gewerkschaft bitter enttäuscht von der SPD. Hintergrund ist eine Einigung der Sozialdemokraten mit Union und FDP. Der Kompromiss sieht vor, dass die mehr als 800 000 Beschäftigten der Leiharbeitsbranche ab dem Mai als Stundenlohn mindestens 7,60 Euro (West) oder 6,65 Euro (Ost) erhalten sollen. „Das Ergebnis ist beschämend für die beteiligten Parteien und schlimm für die Beschäftigten“, sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, im Gespräch mit DerWesten. „Die Beschäftigten sollen offenbar für dumm verkauft werden. Mit den beschlossenen Lohnuntergrenzen wird lediglich abgebildet, was in den meisten Betrieben längst Realität ist. Zur wichtigsten Verbesserung konnten sich Union, FDP und SPD aber nicht durchringen: der Einführung von gleichen Löhnen für gleiche Arbeit.“
Die überraschend heftige Kritik der IG Metall dürfte insbesondere für die Sozialdemokraten schmerzhaft sein. „Die SPD muss sich entscheiden, für wen sie sich einsetzen will“, sagte Wetzel. „Diesmal hat sie Politik gegen die Beschäftigten in der Leiharbeit gemacht.“ Scharf ging Wetzel auch mit Union und FDP ins Gericht. „Kanzlerin Merkel und Arbeitsministerin von der Leyen sowie die FDP sind offensichtlich Befehlsempfänger der Leiharbeitslobby“, sagte er.
138 Prozent mehr Leiharbeiter innerhalb von zehn Jahren
Mehr als 100 000 Beschäftigte aus über 1000 Betrieben werden sich nach Einschätzung der IG Metall am Donnerstag an einem bundesweiten Aktionstag für die Gleichbehandlung von Leiharbeitern beteiligen. Allein in NRW sollen Beschäftigte in etwa 400 Betrieben demonstrieren. Es werde zu „sichtbaren Aktionen während der Arbeitszeit kommen“, kündigte Wetzel an. Aktionen sind unter anderem in Duisburg, Dortmund und Köln geplant. In Essen wird Wetzel, am Morgen auf einer Kundgebung vor der Essener Firma Kennametal Widia sprechen.
Mehrere hundert Gewerkschafter und Politiker demonstrierten bereits am Mittwoch vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Der Bundestag berät heute über eine Gesetzesänderung, die Dumpinglöhne verhindern soll.
Nach Einschätzung der IG Metall werden zunehmend Leiharbeiter beschäftigt, um Stammbelegschaften zu ersetzen. In Deutschland gab es nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit Mitte vergangenen Jahres rund 806 000 Leiharbeitnehmer – 138 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Das entspricht knapp drei Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Auch Verdi-Chef Frank Bsirske bezeichnete die Mindestlohnregelung für die Zeitarbeit als ungenügend. Das eigentliche Problem werde damit nicht gelöst, kritisierte Bsirske. Es müsse vielmehr die Regel gelten, dass Leiharbeiter bezahlt werden wie Festangestellte. Andernfalls würden reguläre Jobs weiter durch billigere Leiharbeit ersetzt.