Bochum. .
Eine ehemalige Leiharbeiterin, eine 23-jährige Bürokauffrau aus Bochum, klagt vor dem Arbeitsgericht gegen eine überraschende Kündigung. Sie verdiente 8,22 Euro brutto pro Stunde.
Eine ehemalige Leiharbeiterin, die bei der Bochumer Knappschaft-Bahn-See (KBS) gearbeitet hatte, wehrt sich seit Donnerstag vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Kündigung. Die 23-jährige Bürokauffrau Tatjana Sand verdiente 8,22 pro Stunde. Ihr Anwalt Michael Dornieden nennt dies „Hungerlohn“. Wäre sie bei der KBS angestellt gewesen, hätte sie 10,99 Euro verdient.
Am 16. November 2010 hatte die Leiharbeitsfirma mit der Frau einen Anstellungsvertrag geschlossen. Aber bereits am 14. Dezember flatterte der Kauffrau die Kündigung ins Haus. Ohne Begründung und vorherige Anhörung, wie sie sagt. Die Firma sagt, die Frau sei wegen ihrer Leistung gekündigt worden. Deren Anwalt vermutet aber einen ganz anderen Grund: Am selben Tag der Kündigung hatte das Bundesarbeitsgericht verkündet, dass die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) gar keine Tarifverträge abschließen kann. Die Anstellung mit der 23-Jährigen basierte aber auf so einem Tarifvertrag. Anwalt Dornieden sieht zwischen der Kündigung und jenem Urteil einen Zusammenhang. Erst würde die Zeitarbeitsfirma ihrer Mitarbeiterin unter Missachtung des Gleichbezahlungsgebots „rechtsunwirksame Dumping-Tariflöhne“ aufzwingen - und dann auch noch die Folgen „ihres eigenen verwerflichen Tun“ auf genau dieselbe Beschäftigte abwälzen - durch die Kündigung.
„Ich wollte sie erst gar nicht einstellen, ich wollte ihr aber eine Chance geben“
Der Vertreter der Leiharbeitsfirma war nur bereit, 800 Euro Abfindung zu zahlen. Aber nur aus gutem Willen, wie er betonte. Die Klägerin sei ja noch in der Probezeit gewesen. „Ich wollte sie erst gar nicht einstellen, ich wollte ihr aber eine Chance geben.“ Der Kläger-Anwalt konterte ironisch: „Sie gnädiger Herr! Wir danken Ihnen auf Knien, dass Sie das getan haben!“ Der Anwalt will 2000 Euro herausholen. Eine gütliche Einigung scheiterte. Am 31. Mai wird vor Gericht neu verhandelt.
Seit der Kündigung ist die Bürokauffrau arbeitslos. Auf staatliche Leistungen (ALG I, Hartz IV) hat sie keinen Anspruch. Sie lebt beim Vater. Der muss für ihre Versorgung ganz allein bezahlen. Er hält das für absolut ungerecht.
Die KBS hat an den vier Standorten in Bochum rund 3500 Mitarbeiter. Normalerweise habe man keine Leiharbeiter, hieß es auf WAZ-Anfrage. Nur bei Personalengpässen würden für höchstens ein halbes Jahr Leiharbeiter eingestellt.