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Hochtief-Chef Lütkestratkötter winken vier Millionen Euro als Abfindung. Die Regeln für die Zahlung stehen längst fest. Die Barabfindung für ihn und die vier Vorstandsmitglieder könnten sich auf 15 Millionen Euro belaufen.

Wer Herbert Lütke­stratkötter während der Übernahmeschlacht um Hochtief auf seine persönliche Zukunft ansprach, erhielt stets die knappe Antwort: „Aufgeben gilt nicht.“ Von einer Diskussion über eine mögliche Abfindung im Falle einer Übernahme wollte der Vorstandschef von Deutschlands größtem Baukonzern nichts wissen. Dass ihm der Abschied von Hochtief durch eine Abfindung versüßt werden könnte? „Das kann ich mir in keiner Weise vorstellen“, beteuerte Lütkestratkötter noch vor einigen Wochen.

Tatsächlich hat Lütkestratkötter für die Unabhängigkeit von Hochtief gekämpft. Doch im Abwehrkampf gegen den spanischen ACS-Konzern zeichnet sich mittlerweile eine Niederlage für den Manager mit dem Spitznamen Dr. Lü ab – gleichwohl könnte der 60-Jährige zum Ende seiner Laufbahn bei Hochtief noch einmal Kasse machen. Rund vier Millionen Euro dürfte Dr. Lü wohl erhalten, wenn ACS beim Essener Unternehmen die Kontrolle übernimmt. „Change-of-Control-Klauseln“ heißen in der Welt der Manager die Regeln, die Vorstandsmitgliedern im Fall einer feindlichen Übernahme jede Menge Geld einbringen.

Details im Geschäftsbericht

Die Details für Hochtief lassen sich im Geschäftsbericht 2009 nachlesen. Demnach könnten Lütkestratkötter und seine vier weiteren Hochtief-Vorstandsmitglieder zusammen Barabfindungen in Höhe von annähernd 15 Millionen Euro erhalten, wenn demnächst ACS beim Revierkonzern regiert. Dann steht jedem der Vorstandsmitglieder bei einer Beendigung des Dienstvertrags eine Abfindung von zweieinhalb Jahresbezügen zu. Lütkestratkötter, der zuletzt knapp 1,7 Millionen Euro erhalten hatte, bekäme also gut vier Millionen Euro. Die anderen Vorstände mit einem Jahreseinkommen von rund einer Million Euro könnten mit etwa 2,5 Millionen Euro rechnen. Hinzu kämen noch Pensionsansprüche ab Vollendung des 60. Lebensjahres.

Noch ist nicht entschieden, ob Dr. Lü seinen Job bei Hochtief verliert. Doch mittlerweile ist der von Real-Madrid-Präsident Florentino Perez geführte Bauriese ACS bei seiner geplanten Übernahme fast am Ziel. Sollte ACS – wie erwartet – die Kontrolle über den Hochtief-Aufsichtsrat übernehmen, wird mit einem Wechsel in der Führung des Essener Konzerns gerechnet.

Dass bei vielen deutschen Großunternehmen „Change-of-Control-Klauseln“ gelten, ist auch eine Folge der Diskussion über die „Anerkennungsprämie“ im Fall Mannesmann. Der einstige Mannesmann-Chef Klaus Esser kassierte im Frühjahr 2000 rund 15 Millionen Euro, als die Abwehrschlacht gegen den Angreifer Vodafone zu Ende ging. Wegen der Zahlungen musste sich Esser später vor Gericht verantworten – ebenso wie Aufsichtsräte, die Prämien und Abfindungen für das Management in Höhe von insgesamt fast 60 Millionen Euro abgenickt hatten.

„Bitteres Geschmäckle“

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Prinzipiell sei es sinnvoll gewesen, „Change-of-Control-Klauseln“ einzuführen, urteilt Marc Tüngler, der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Der Fall Hochtief zeigt, dass ein Vorstand bei einer feindlichen Übernahme deutlich freier agieren kann, da er finanziell abgesichert ist.“ Dies könne dem „Unternehmenswohl“ dienen. Allerdings hinterfragt Tüngler die Höhe der möglichen Abfindung für Lütkestratkötter. „Ob es wirklich vier Millionen Euro sein müssen, die den Abschied versüßen, darüber lässt sich streiten.“ Insgesamt könnten Lütke­stratkötter und seine vier weiteren Vorstandskollegen Barabfindungen in Höhe von annähernd 15 Millionen Euro erhalten. Wie dem Geschäftsbericht für 2009 zu entnehmen ist, steht jedem der Vorstandsmitglieder bei einer Beendigung des Dienstvertrags als Entschädigung eine Abfindung von zweieinhalb Jahresbezügen zu. Lütkestratkötter, der zuletzt insgesamt knapp 1,7 Millionen Euro erhalten hatte, bekäme demnach gut vier Millionen Euro. Die anderen Vorstände mit einem Jahreseinkommen von rund einer Million Euro könnten mit etwa 2,5 Millionen Euro rechnen.

„Das hinterlässt ein bitteres Geschmäckle“, sagte Ulf Posé, der Präsident des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft. Denn die Übernahme durch ACS sei nur durch Versäumnisse des Hochtief-Managements möglich geworden. „Dem Vorstand ist es nicht gelungen, den Aktienkurs in die Nähe des Unternehmenswertes zu bringen.“

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) lehnt Klauseln ab, die wie im Fall Hochtief eine Abfindung bei einem tiefgreifenden Eigentümerwechsel vorsehen. „Hier wird das Management dafür belohnt, dass das Unternehmen Opfer einer Übernahme wird“, kritisierte SdK-Vorstandsmitglied Lars Labryga.

Vorschlag: ACS solle die Abfindung aus der eigenen Kasse zahlen

Etliche, aber längst nicht alle deutschen Konzerne setzen auf die Abfindungsklauseln. Von 24 Dax-Riesen, die sich an einer Umfrage der zuständigen Regierungskommission beteiligten, gaben 19 an, „Change-of-Control-Klauseln“ festgelegt zu haben. Zuständig sind die Aufsichtsräte der Unternehmen, in denen die Arbeit der Vorstandsmitglieder kontrolliert werden soll. Ulf Posé, der Präsident des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft, sagt deshalb: „Ich fordere mehr Sorgfalt der Aufsichtsräte.“

Marc Tüngler hat zudem einen unkonventionellen Vorschlag. Er regte an, ACS solle die Abfindung für Lütkestratkötter aus der eigenen Kasse zahlen. „Perez sollte den Schneid haben, die Zahlung selbst zu übernehmen, damit Hochtief nicht zusätzlich belastet wird“, findet Tüngler.