Brüssel. .
Auch die Esten zahlen nun mit dem Euro. Seit Jahresanfang gehört das EU-Mitglied als 17. Land zur europäischen Währungsunion. Unumstritten ist der Schritt des nordosteuropäischen Lands inmitten der Euro-Krise aber nicht.
Estlands Ministerpräsident Andrus Ansip zog als erster an Neujahr in der Hauptstadt Tallinn Euro statt der bisherigen Währung Kronen aus einem Geldautomaten. Er setzt große Hoffnungen auf die Mitgliedschaft in der Währungsunion: „Das ist ein kleiner Schritt für die Euro-Zone, aber ein großer Schritt für Estland.“
EU-Währungskommissar Olli Rehn lobte die 1,34 Millionen Esten. Sie hätten es geschafft, Teil der Währungsunion zu werden. „Dies ist eine großartige Leistung und eine gerechte Belohnung für ein Land, das sich einer soliden Haushaltspolitik verschrieben hat.“ Er versprach rosigere Aussichten: „Der Euro als einheitliche Währung wird der estnischen Wirtschaft Stabilität geben, die zusammen mit der Politik Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand schaffen wird.“
Die Esten, deren Wirtschaft einst stark wuchs, spüren die Folgen der Weltfinanzkrise. 2009 sank die Wirtschaftsleistung um 14,4 Prozent auf knapp 14 Milliarden Euro, so die EU-Statistiker. Je Kopf ist das ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von fast 13 800 Euro – in Deutschland lag es bei 29 300 Euro je Bürger. Voriges Jahr erholte sich Estlands Wirtschaft zwar leicht, doch die Arbeitslosigkeit stieg auf fast 18 Prozent. Auch wenn Estland das ärmste Land im Euro-Raum ist, gilt es als Staat, der Haushalt und Schulden im Griff hat. Zur Wirtschaftsleistung des Euro-Raums von 8,9 Billionen Euro steuert Estland nur 0,2 Prozent bei.
Wirtschaft wuchs vor allem dank des Immobilien-Booms
Bis zur weltweiten Finanzkrise beruhte der Erfolg des kleinen Lands laut Experten auf seiner stabilen Währung – die Krone war an den Euro gekoppelt –, der Liberalisierung der Preise, dem Abbau staatlicher Subventionen, der schnellen Privatisierung und vor allem auf dem sehr liberalen Steuer- und Investitionsregime. Die Wirtschaft Estlands wuchs vor allem dank des Booms in der Immobilien-, Bau- und Dienstleistungsbranche, dank der starken Binnennachfrage und dank der Exporte.
Kritiker monieren, Estland löse „das letzte Ticket für die Titanic“. Der US-Wirtschaftsexperte und Nobelpreisträger Paul Krugman sagte, der Schritt sei zwar ein Symbol für den Wandel von der Ex-Sowjet-Provinz zum guten EU-Bürger. Die Kosten für die Wirtschaft seien aber hoch. „Glückwünsche, aber zugleich auch mein Beileid.“
Sicher ist, dass Estland in einer turbulenten Zeit Mitglied des Euro-Währungsraums wird. Auf vielen Euro-Ländern lasten Schulden. Irland musste sich Ende 2010 unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Die Spekulationen halten an, dass andere Sorgenländer wie Spanien oder Portugal Irland folgen dürften.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte daher in ihrer Neujahrsansprache, Europa stehe „inmitten einer großen Bewährungsprobe“. Europa sei auch Garant für Frieden und Freiheit. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte, er setze sich mit ganzer Kraft für den Euro-Erhalt ein: „Der Untergang des Euro wäre das Ende Europas.“