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Der Münsteraner CDU-Regierungspräsident Paziorek fragt NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD), ob er Baugenehmigungen beim Eon-Kraftwerksbau in Datteln zurückziehen soll.
Der Regierungspräsident von Münster, Peter Paziorek (CDU), versucht nach Informationen von DerWesten, die Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im Streit um das Eon-Kohlekraftwerk Datteln unter Druck zu setzen.
Konkret bat Paziorek in einem vertraulichen Schreiben um eine Anweisung, wie er sich zu verhalten habe, nachdem der Regionalverband Ruhr in der vergangenen Woche die Beschlüsse für das Kraftwerk Datteln auf die lange Bank geschoben hatte. Paziorek fragte die SPD-Ministerpräsidentin, ob er weitere Teilgenehmigungen zum Bau des Kraftwerkes erteilen dürfe, oder ob er schon erteilte Genehmigungen widerrufen müsse – mit der zu erwartenden Folge, dass Eon große Teile des Kraftwerkes auf eigene Kosten abreißen müsste.
Der Fall ist brisant. Denn die Münsteraner Bezirksregierung unter Regierungspräsident Paziorek ist in Planungsfragen direkt der Staatskanzlei von Hannelore Kraft unterstellt. Die SPD-Landeschefin muss auf der einen Seite den rot-grünen Kompromiss im Regionalverband Ruhr stützen, nach dem alle Entscheidungen zu Datteln bis in den kommenden Sommer vertagt worden sind. Gleichzeitig muss Kraft aber auch die Interessen ihrer Partei wahren. Und die SPD in NRW drängt auf eine schnelle Vollendung des Dattelner Eon-Baus.
Ein fataler Automatismus
Erlaubt Kraft nun Paziorek weitere Teilgenehmigungen auszustellen, stößt sie den grünen Partnern vor den Kopf. Diese wollen Datteln selbst um den Preis eines Koalitionsbruchs und Neuwahlen verhindern. Verbietet Kraft jedoch dem Münsteraner Regierungspräsidenten den Weiterbau zu genehmigen, drohen eigene Parteifreunde in den Widerstand zu gehen. Bei einem Ende der Arbeiten in Datteln könnte nämlich ein fataler Automatismus ausgelöst werden.
Nach dem Willen das Oberverwaltungsgerichtes in Münster darf nur solange am Dattelner Projekt weitergebaut werden, wie sich alle Kräfte bemühen, die Dattelner Planungsfehler zu heilen. Sollte deutlich werden, dass es keine nachträgliche Genehmigung für das Kraftwerk geben wird, müssten nach dem Willen des Gerichtes die bereits erteilten Genehmigungen unverzüglich widerrufen werden. Eon verpflichtete sich schriftlich, in diesem Fall große Teile der bereits errichteten Kraftwerksbauten auf eigene Kosten niederzureißen.
Regierungspräsident Paziorek befürchtet, mit dem rot-grünen Kompromiss im RVR sei dieser Fall bereits jetzt eingetreten. Er müsse in absehbarer Zeit den Teilabriss des Kraftwerkes anordnen. Aus diesem Grund bittet er Kraft um weitere Anweisungen.
Eine politische Katastrophe
In den Augen des Industrieflügels der SPD wäre ein Kraftwerksabriss eine politische Katastrophe. Um diese zu vermeiden, sei es besser, eine große Koalition zu wagen und das Projekt in Datteln weiter voranzutreiben – selbst wenn dann Kraft als Ministerpräsidentin abtreten müsste.
Mit einer schnellen Entscheidung über die Anfrage von Paziorek rechnet daher niemand in der Staatskanzlei. Intern heißt es, bis zur Vorlage einiger Rechtsgutachten im RVR im Frühjahr werde versucht, jeden Streit mit den Grünen zu vermeiden. Offiziell sagte ein Sprecher von Kraft: „Wir sind im Gespräch mit dem Regierungspräsidenten.“ Es gebe derzeit keine Not, über irgendwelche Teilgenehmigungen zu entscheiden.
Beim Bauherrn Eon ist der Paziorek-Brief angeblich nicht bekannt. Ein Sprecher sagte: „Wir sind zuversichtlich, dass das Planungsverfahren so schnell als möglich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden kann.“
Das ist für Eon auch dringend nötig. Sollte es zu einem Abriss kommen, müsste der verschuldete Energiekonzern 800 Millionen Euro abschreiben. Nach Abschreibungen in Milliardenhöhe in Spanien, Frankreich und Italien eine schlechte Nachricht für die Börsen.